Yakin an der römischen Bar


Rom, die ewige Stadt. Die Stadt von so vielem. Auch von Fussball-Erinnerungen. Damals 1977, es war der erste Final der Champions League, die noch schlicht Meistercup hiess und auch nur ein Wettbewerb der Meister war, den ich live in einem Stadion erlebte. Liverpool gegen Borussia Mönchengladbach, 3:1 gewannen die Engländer.

1982, eine schwüle Sommernacht Ende Oktober, die italienischen Fussballer, eben Weltmeister geworden, mit Audienz beim Papst, gefeiert und in Feierlaune und nicht ganz bei der Sache und der Ball in diesem Spiel nicht so wichtig - erstmals und bisher das einzige Mal gewannen die Schweizer auf italienischem Boden. Tor Elsener, Pass Sulser, 1:0, wir sassen damals nach Mitternacht noch auf der Piazza Navona und genossen die römische Nacht und dachten nicht mehr an das Spiel.

1990, die WM, der Final, und Beckenbauer, der Teamchef der Deutschen, er schlenderte wie ein Nachtwandler im Mondlicht über den Rasen des Stadio Olimpico, alleine geniessend, beide Hände in der Hosentasche, er war eben auch noch als Trainer Weltmeister geworden.

Und dann in diesem Sommer 2021, die EM quer durch Europa, 0:3, und die Schweizer wurden danach gerügt und zerzaust, und niemand ahnte, was nachher kam, wie die Versager schnell zu Umjubelten wurden und schöne Geschichten schrieben. Wir sassen nach dem 0:3 bis weit nach Mitternacht beim Pantheon und genossen die Stimmung in der Stadt und dachten nicht mehr an Fussball, die EM schien aus unserer rotweissen Sicht bereits vorbei.

Die stille Heimkehr nach dem 0:3 im Juni in Rom.

Und jetzt. Wieder in Rom. Aber in Zürich. Vor dem TV. «Es gibt nichts Schöneres als so ein Spiel», sagte Xherdan Shaqiri vorher, das Spiel des Jahres sei es, sagten die einen wie die anderen, als wäre Italien in diesem gleichen Jahr nie Europameister geworden und hätten nicht die Schweizer beinahe, mindestens, den Halbfinal erreicht.

Murat Yakin, leger, mit Brille, jedes Haar, als sei es vor dem Spiel nochmals gewaschen und gefönt worden, steht unaufgeregt am Spielfeldrand im Olimpico, eine Hand meistens in der Hosentasche. Selbst wenn er nicht lacht, lächelt er oder schmunzelt, als stünde er an einer römischen Bar und bestellte sich gleich einen Drink. Oder er schaut lässig sitzend auf der Bank, die Beine ausgestreckt, auf einem Monitor kurz das Spiel, bevor er den nächsten Drink . . . nein, die nächste Taktik bestimmt. Wenige Meter weiter rechts Roberto Mancini, der italienische Commissario tecnico, den sie Mancio» nennen, er wirkt wie ein Mannequin auf dem Laufsteg, fuchtelt und dirigiert im perfekten Designeranzug, wesentlich aufgeregter.

Ist das 1:1 von Rom nun ein Sieg oder eine Niederlage? Es gibt noch ein Spiel des Jahres, am Montag in Luzern für die Schweizer, in Belfast für die Italiener. Und dann für eine der beiden Mannschaften folgt im März das übernächste Spiel des Jahres - bis, bei Glühwein, Kerzenlicht und im Wintermantel, wir nach Katar blicken, wohin wir ja eigentlich gar nicht blicken wollen. Und es dann trotzdem tun werden. Für die wirklichen Spiele des Jahres.
 

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