Russi verliert wieder

 
Bernhard Russi und Franz Klammer in Zürich beim 17. Zürich Film Festival

Sie sahen aus wie damals, oder sagen wir: fast; der eine ist inzwischen 67, der andere 73 Jahre alt und hat immer noch längere Haare, nur sind sie jetzt grau. Sie erinnern an damals, als ganz Österreich und die halbe Schweiz an diesem Samstag, 5. Februar 1976, vor dem Bildschirm sassen und fieberten, und es kaum ausgehalten hatten vor knisternder Spannung, 45 Jahre sind es her.

Abfahrt bei den Olympischen Spielen in Innsbruck am Patscherkofen, 60 000 am Pistenrand, strahlender Sonnenschein, und das Duell: Franz Klammer gegen Bernhard Russi. Es ist vielleicht das grösste Duell, das es je im Wintersport gab, das spektakulärste, das verrückteste. Der Techniker gegen den Wilden, der Stilist, der an diesem Tag auch wild fuhr, der Wilde, der noch verrückter fuhr. Der, der zuvor alles gewonnen hatte, seit neun Rennen ungeschlagen, gegen den, der nach 1972 nochmals Olympiasieger werden wollte. Der Berg bebte, stand nachher zu lesen.

Russi und Klammer 1976 in Innsbruck

Jetzt, an diesem Montagabend, standen sie auf der Bühne im neuen Kongresssaal in Zürich, Klammer immer noch mit seinem Lausbubengesicht, bescheiden und natürlich, Russi, immer noch der Sonnyboy, älter zwar, charmant und strahlend. Sie sind da, um eine Weltpremiere eines Films zu sehen, er hat nur einen Namen zum Titel, «Klammer», es ist ein Spielfilm, er erzählt die Geschichte dieses Duells, die fünf Tage davor und dann das Rennen, gespielt von jungen Schauspielern. Klammer und Russi haben den Film noch nie in ganzer Länge gesehen, Russi sagt, er sei gespannt auf das Ende, «die Hoffnung stirbt zuletzt», vielleicht gewinne er ja auf der Leinwand, er lacht dabei.

War es wirklich so? fragten wir uns nach dem Ende. Natürlich waren einige künstlerische Freiheiten des Regisseurenpaars Andreas und Elisabeth Schmieds dabei, natürlich war die Liebesgeschichte von Franz und Eva etwas gar kitschig und spielte sich im Film nicht so ab wie damals im richtigen Leben, immerhin sind die beiden jetzt 41 Jahre verheiratet, also stimmte die Liebe, aber «Klammer» bietet für alle, die sich erinnern mögen an 1976, die damals irgendwo mitzitterten, sehr vieles.
 

Der Film «Klammer» startet am 28. Oktober in den Kinos
(Trailer anschauen)


Es ist eine Zeitreise. Die Telefone hatten eine Schnur, und Franz und Eva Klammer telefonierten oft, die Autos sahen wie Autos aus, unverwechselbar, der quietschgelbe BMW, der rote Alfa Romeo, es waren Klammers Autos damals, die Rollkragenpullis, die Trainer, die ständig rauchten und oft polterten, die klapprigen Schreibmaschinen der Journalisten, die Pudelmützen, die Skiausrüstungen, die Kostüme, so war es damals.

Und dann dieses Duell, dieses Wahnsinnsrennen, der unheimliche Druck, der auf Klammers Schultern lastete, weil er gewinnen musste, es alle von ihm erwarteten, und die Zeitungen schon vorher darüber schrieben und nur ihn als Sieger sahen, diese Bilder, wie Klammer aber vor der Abfahrt immer mehr Zweifel bekam, wie er sich weigerte, den Ski mit dem Loch in der Schaufel zu nehmen, den sein Skifabrikant für teures Geld extra für ihn und dieses Rennen angefertigt hatte, und der auch den speziellen goldenen Anzug nicht wollte - und dann die Bilder des Zweikampfs auf der Piste, Russi, der mit der Nummer 3 die Bestzeit und den «verrücktesten Ritt meiner Karriere» (Russi) fuhr, die Nummer 3 war bisher eigentlich Klammers Glücksnummer, und der Kärntner, der erst mit der 15 an den Start ging, bei der zweiten Zwischenzeit eigentlich schon geschlagen war, dann aber halsbrecherisch runter raste, sein Leben riskierte.

Es sind starke (Ski-)Aufnahmen, die am Patscherkofen nachgestellt wurden, von sechs Stuntfahrern, einer war der ehemalige Weltmeister Daron Rahlves.

Die Österreicher werden den Film lieben, die Schweizer hätten manchmal gewünscht, er hätte nicht englische, sondern deutsche Untertitel - und ja, Russis Hoffnung wurde selbstverständlich nicht erfüllt, das Ende war im Film wie damals: Russi 1:46,06, Klammer 1:45,73, 33 Hundertstelsekunden schneller, der «Franzl» Olympiasieger, ein Volk flippte aus.

Franz Klammer und sein Darsteller Julian Waldner

Aber am allerschönsten ist die letzte Szene des Films. Franz Klammer, der echte, der von heute, nicht der, der ihn (hervorragend) spielen musste (Julian Waldner), steigt vor seinem Elternhaus in Mooswald aus seinem roten Alfa Spider. Wunderbar.

Und Russi, im Film wirkte er wie ein Rockstar, sagt heute: «Ich habe damals zwei Sachen gewonnen, eine Silbermedaille und einen Freund.» So gaben sich die beiden auch im Kongresshaus.

«Klammer – Chasing the Line». - Regie und Drehbuch: Andreas und Elisabeth Schmied. - Gespielt u.a. von Julian Waldner (Franz Klammer), Valerie Huber (Eva Klammer), Raphael Tschudi (Russi). - Kinostart: 28. Oktober.
 
Die Weltpremiere im Kongresshaus in Zürich
 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kuno Lauener und der Fotograf

Besuch bei Mamma

Hoarau – bitte nicht, YB!

Diego (8): «Yanick, Yanick»

Abschied nehmen

Das Flick-Werk

Chaos bei GC

Weite Reisen

Genug ist genug

Chloote!!!