Leben in der Kabine


Kabine der Veteranen des FC Wettswil Bonstetten

Der schönste Satz fällt am Schluss des Filmes. Der junge Fussballer, 14 ist er, sitzt in der Garderobe, das Spiel ist zu Ende, er ist glücklich, seine Mannschaft hat gewonnen, und er sagt: Würde er einen Final in der Champions-League spielen können und seine Grossmutter wäre krank, würde er bei ihr sein wollen.

Der junge Fussballer wollte als kleines Kind mal Stuntman werden, oder vielleicht Pilot, er ist jetzt in der Sekundarschule und spielt bei den Junioren des FC Blue Stars. Er hatte Träume, wie wir alle und wie junge Fussballer besonders, und nicht nur junge, alle, Frauen, Männer, die dem Ball nachjagen, Fussball ist immer auch träumen, wie ein Trainer im Film sagt, träumen, sich vergessen, Ängste ausleben, Freude und Schmerz zulassen.

Dieser Film, «Football Inside» heisst er, er läuft momentan in verschiedenen Kinos, von Michele Cirigliano, einem Zürcher, 46, seine Eltern kommen aus dem Süden Italiens. Er spielte auch Fussball, und er sagt, in der Kabine würdest du Teil eines Ganzen, du müsstest deine Kleidung, dein Ich, dein Ego ablegen und in ein einheitliches Trikot schlüpfen.

Bruno Berner, Trainer SC Kriens

Und davon handelt dieser schöne Film. Vom Fussball, aber nicht von Toren, nicht von Zweikämpfen oder Spielzügen, nicht vom Jubel – oder doch auch vom Jubel, nachher in der Kabine, nach dem Abpfiff, die vier Mannschaften im Film, Profis oder Fast-Profis, Frauen, Junioren, Veteranen, haben ihre Spiele alle gewonnen, sie ballen die Faust, sie tanzen ausgelassen zu Musik, umarmen sich, sie nehmen, jene mit den Bäuchen und Glatzen, alle ein Bier, prosten sich zu, die Trikots tragen sie noch, schwitzend und körperlich leidend. Aber glücklich. «S’isch geil gsi», hört man. Von den Profis von Kriens, den Frauen von GC, den Veteranen vom FC Wettswil Bonstetten, den Junioren C von Blue Stars.

Trailer zum Film «Football Inside» (Youtube-Video)

Die Kabine, dieser Ort hinter den verschlossenen Türen, in dem es laut und still und andächtig und manchmal lustig und immer wieder auch sehr ernsthaft und angespannt ist, gibt wunderbare Einblicke in ein Mannschaftsleben. Und Szenen wie diese: Der Trainer, der sonst ein sehr besonnener Mann ist, am Schweizer Fernsehen als Experte mit wohlüberlegten Sätzen den Fussball erklärt, dieser Bruno Berner tobt und schreit und poltert in der Pause mit weit aufgerissen Augen, so laut, dass seine Spieler am liebsten in die Dusche fliehen möchten (und natürlich alles über sich ergehen lassen müssen); der Torhüter der Veteranen, einst in der U-18-Nationalmannschaft, heute Polizist und Fahnder im Zürcher Rotlichtmilieu, erklärt in der Halbzeit seinen Kollegen in der Kabine reuig seinen Fehler, der zum Tor führte: «Ich chume use und ghei uf d’Schnurre».

Das Bier der Veteranen nach dem Spiel

Es tönt platt, der Profi mit seiner Weltkarriere sagt es nach seinem Rücktritt, der Veteran, der mit 65 aufhören muss, weil seine kaputten Gelenke schmerzen und der Atem knapp wird: «Am meisten vermisse ich die Kabine.» Das Leben dort. Dieser Film erklärt und zeigt, weshalb es so ist.

«Football Inside». 4 Teams, 90 Minuten, 4 Kabinen. Ein Dokumentarfilm von Michele Cirigliano. Er läuft momentan in diversen Kinos.


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