Gefängnisfussball


Turnier der F-Junioren in Bülach

Es war Samstag, es war in Porto, es war der Final der Champions, die keine Champions waren, aber das Final der Besten in Europa. 16 000 Menschen im Drachenstadion, endlich wieder, und schon Tage zuvor waren die englischen Fans aus London und Manchester in die portugiesische Küstenstadt eingefallen, tranken viel und feierten ungehemmt. «Masken? Soziale Distanz? C’mon!» berichtete der Reporter der «Süddeutschen Zeitung» vor Ort, besonders nach dem Spiel wussten die meist blauen Blauen von Chelsea am Ufer des Douro kaum mehr, was einst eine Pandemie war. War da mal was?

Es war Sonntag, es war in Bülach, es hätte an vielen Orten irgendwo auf dem Lande sein können, es war ein Turnier der F-Junioren, der Kleinsten, deren Hosen manchmal bis zu den Knöcheln reichen. Die Sportanlage Erachfeld ist von einem hohen Gitter umgeben, ausser den kleinen Spielern und ihren Betreuern darf niemand rein, wir stehen draussen und versuchen auf Distanz durch das Gitter etwas zu erblicken, Social Distancing. Gefängnisfussball sagt einer. Manchmal winkt ein Kleiner scheu von weit weg und dribbelt wieder los.

In Porto blauer Jubel ohne soziale Distanz

Dieser Fussball ohne Fans und Emotionen, wir jammerten monatelang, und es gab keinen Reporter, der dies vor einem Spiel nicht erwähnte, und er sass meist im TV-Studio und gar nicht im Stadion, und wir dachten: He!, es gibt doch in diesen Zeiten noch ganz anderes, das auch nicht möglich ist und wir auch vermissen, jetzt ist es eben so.

Es gibt – oder gab, zum Glück, endlich, seit Montag ist die Welt zumindest bei uns wieder eine andere – eben auch diese Orte wie in Bülach und anderswo, Fussball durch das Gitter, mit den eigenen Kindern oder Enkeln, denen man doch nahe sein wollte und die glücklich wären, sie müssten ihre Eltern oder Nonnos nicht von weit weg suchen.

Der deutsche Autor Axel Hacke schrieb kürzlich in seiner wöchentlichen Kolumne vom Gefühl, endlich wieder in ein Konzert gehen zu können, über das Verbundensein, wie er es erlebt hat, nach monatelangem nur-noch-vor-dem-Bildschirm-sitzen-dürfen, er war in der Philharmonie Gasteig in München, er schrieb: «Ich verstehe nicht viel von Musik.
Dvořák gefiel mir, aber an diesem Abend hätte mir alles gefallen, sie hätten Schönberg spielen können oder Alle meine Entchen, egal, Hauptsache, wieder in einem Saal sein, wo Leute etwas auf einer Bühne tun.»

Hauptsache, ohne Gitter, kein Gefängnisfussball mehr, irgendwo auf dem Lande, Diego, dem Siebenjährigen, ganz nahe.

In Bülach scheuer Blick durch das Gitter





Kommentare

  1. Und vier Km gelaufen sind wir als Eltern für einen Kaffe

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