Er denkt, ich denke

Thomas Tuchel und Pep Guardiola
 
 
Es ist nicht mehr wie damals in der Schumann’s Bar am Odeonplatz in München, als sich Pep Guardiola und Thomas Tuchel zu einem fachmännischen Austausch unter Trainern trafen. Ihr Tisch soll bald verstellt gewesen sein mit Pfefferdosen und Salzstreuern und auch Espressotassen und Zahnstocher, die sie ständig umher geschoben haben, um mögliche Taktiken zu besprechen, das Rotweinglas war Guardiolas rechter Verteidiger, und die Kellner im Lokal wagten es nicht mehr, ihnen nachzuschenken, weil die beiden so vertieft und leidenschaftlich waren in ihren Gesprächen, stundenlang, wird erzählt.

Diesmal sitzt jeder seit Tagen für sich in seinem Managerbüro, Guardiola im Osten Manchesters im feudalen Trainingszentrum der Citizens und Tuchel 250 Kilometer südlich im Cobham Center ausserhalb von London, wo die Fussballer von Chelsea beheimatet sind.

Nachgestellt: Taktik auf dem Bistrotisch, Rotweinglas als rechter Verteidiger

Sie haben nur noch das im Kopf, der 29. Mai in Porto, Samstagabend, 21.00 Uhr, Champions-League-Final Manchester City gegen Chelsea, Engländer gegen Engländer, Guardiola gegen Tuchel. Für Tuchel, den Deutschen, ist Guardiola, der Spanier, das grosse Vorbild, Guardiola nennt Tuchel einen Toptoptop-Trainer.

Und so sitzen sie in diesen Tagen versunken da, die Laptops vor sich, Papiere und Statistiken, und sie grübeln, zermalmen sich ständig den Kopf.

Guardiola: «Ich denke, er denkt.»

Tuchel: «Er denkt wohl, ich denke.»

Guardiola: «Wenn er denkt, dass ich so denke?»

Tuchel: «Ich muss wohl denken, er denkt so.»

Guardiola: «Ich denke, es ist besser, ich denke anders.»

Tuchel: «Aber was ist, wenn er auch so denkt?»

Guardiola: «Vielleicht denkt er, ich denke bewusst anders.»

Tuchel: «Ich denke, ich muss so denken, wie ich immer denke.»

Guardiola: «Wenn er denkt, dass er denkt, dass ich denke?»

Tuchel: «Was denke ich?»

Sie sitzen an ihren Managertischen, machen Aufstellungen, notieren Namen, eigene und solche des Gegners, streichen wieder, vielleicht haben sie vor sich auch noch Gläser oder verschieden farbige Filzstifte, die sie umherschieben, sicher tun sie es am Bildschirm, sie haben schon 99 Files mit 99 Taktikvarianten eröffnet, und sei es nur, dass in einer der eine Spieler zehn Zentimeter mehr rechts steht.

Sie tüfteln, die beiden wohl grössten Tüftler unter den Fussballtrainern. Für dieses Spiel der Tüftler.

Wir hoffen, dass sie nicht zu viel denken.

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