Wünsch Dir was


Bruce Springsteen, Letzigrund 2012 (Foto: Dominique Meienberg)



Ich fuhr mit dem Bike durch das Küsnachter Tobel, über Steine und Brücken, der Frühling in der Luft, mit Gedanken an den Sommer, und dann kam über den Kopfhörer dieses Lied, zufällig in einem Music Mix, die Toten Hosen mit ihrem «Tage wie diese», und ich war alleine und begann laut mitzusingen, was etwas übertrieben ist, und wären irgendwo Rehe in der Nähe gewesen, hätte ich sie damit verscheucht, aber bei diesem Song kann man nicht anders, auch wenn man es besser nicht tun sollte:


Durch das Gedränge/

Der Menschenmenge/

Bahnen wir uns den altbekannten Weg/

Entlang der Gassen/

Zu den einen Terrassen/

Über die Brücken, bis hin zu der Musik/

Wo alles laut ist/

Wo alle drauf sind/

Um durchzudrehen/

Wo die anderen warten/

Um mit uns zu starten/

Und abzugehen/

Es kommen mit diesem Lied Bilder in den Kopf, von Zeiten, die so fern scheinen und unwirklich, von vollen Stadien, wie damals im Letzigrund, 50 000 feierten mit den Hosen eine grossartige Party, oder Jahre später im Hallenstadion, oder viel früher, an einem Tag im April 1984, in der Roten Fabrik in Wollishofen, die Band war noch wenig bekannt, der Abend aber ein unvergessliches Erlebnis, ganz intim.

Tage wie diese» mit den Toten Hosen (Youtube)


Es sind Bilder von Menschen, die eng zusammenstehen und feiern und ausflippen und die Zeit vergessen und auch durchdrehen, und später an diesem Morgen im Küsnachter Tobel erklang ein anderes Lied im Kopfhörer, diesmal von Bruce Springsteen, «Dancing in the Dark», ein wunderbares Lied, eines seiner erfolgreichsten. Er erzählt darin von der Langweile und der Vereinsamung, von einem Mann, der es satt hat, einfach rumzusitzen und sich danach sehnt, dass etwas abgeht. Du sitzt herum und wirst älter, heisst es in einer Zeile.

Bruce und seine Nächte in Zürich oder Madrid oder München oder Mailand oder Basel oder Rom oder Bern oder Berlin, und Konzerte, die nicht enden wollten oder nicht hätten enden dürfen, weil man nicht genug haben konnte vom Marathon-Rocker. Einmal, im Mai 1996, hörten wir ihm nur ruhig zu, er stand im Zürcher Kongresshaus auf der Bühne, alleine nur mit seiner Gitarre und Mundharmonika, keine Posen, keine Zuckungen, in einem Pfadfinderhemd, er sang vor allem die traurigen Lieder aus seinem damals neuen Album «The Ghost of Tom Joad», ein anderer Springsteen, ohne seine E-Street Band.


«Dancing in The Dark» mit Bruce Springsteen, Letzigrund in Zürich 2016 (Youtube)

Weshalb ich das auch schreibe: Weil ich es nicht mehr hören mag, wenn die TV-Reporter fast bei jedem Fussballspiel jammern, wie schade es sei, dass keine Zuschauer im Stadion sind, und wie sehr sie fehlen und es ein ganz anderes Spiel wäre mit tobenden Fans.

Es stimmt ja, und ich beobachte, wie es mich immer mehr langweilt, und ich es inzwischen auch nicht mehr interessant finde, wenn der Fussballer Thomas Müller zum Radio Müller wird, weil er nicht nur spielt, sondern auch ständig herumschreit und alles kommentiert, als übertrage er selber das Spiel live.

Die Fussballer können wenigstens spielen, sie haben ein Privileg. Die Musiker, die berühmten, aber auch die weniger bekannten Künstler, sie dürfen nicht auftreten, seit über einem Jahr schon.

Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft, singen die Toten Hosen in ihrem  alten Lied «Wünsch Dir was» – die Zeit soll kommen, schnell. Ich glaube, dass die Welt sich noch einmal ändern wird, heisst es darin, und dann Gut über Böse siegt. Campino sagte dazu später einmal in einem Interview, es sei eigentlich ironisch gemeint, aber die Leute haben es oft nicht so interpretiert.

Campino von den Toten Hosen


PS: Ein Beispiel, eben bekommen:

Das Konzert von Element of Crime am 1. Juli 2020 mit Verschiebedatum 23. Juni 2021 im Kaufleuten Zürich kann aufgrund der nationalen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus nicht am geplanten Datum stattfinden und muss erneut verschoben werden.
Neues Konzertdatum: Dienstag, 11. Oktober 2022, Kaufleuten Zürich.


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