Gin-Gin



(Fortsetzung der Kolumne «Espresso»*)

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Sie hatten es ein paar Mal mit einem Zoom Meeting versucht, denn ihr wöchentliches Treffen, jeden Montagmorgen in diesem Bistro im Zürcher Seefeld, punkt acht, meistens blieb es nicht bei dem einen Espresso, haben sie vermisst.

Aber irgendwie klappte es doch nicht mit Zoom, entweder schaffte es nur der eine sich einzuwählen, und der andere nicht, dann sahen sie sich zwar beide an ihren Bildschirmen, hörten sich aber nicht und verwarfen die Hände, lachend zwar, aber sie waren doch etwas genervt; oder, auch das ist vorgekommen, der eine trug noch einen Pyjama, was der andere doch etwas unpassend fand, er legt Wert auf einen gewissen Stil, und so verabschiedeten sie sich wieder, den Espresso nicht ausgetrunken.

Sie gaben den Versuch auf. Sie sind eben beide computertechnisch nicht so begabt, Bruno, der Werber mit seinen ergrauten Haaren, und Luca, der Architekt, sie haben ihre Texte und Pläne noch auf dem Olivetti 10 geschrieben, damals.

Und so fanden sie, nach diesen unendlich langen Wochen ohne Espresso in ihrem Bistro und den vergeblichen Versuchen, dies ersatzweise virtuell durchzuführen, müssten sie halt etwas anderes machen: Sie trafen sich zum Apéro am frühen Abend, denn inzwischen war es ja nicht mehr um halb sechs bereits wieder dunkle Nacht, und eigentlich mögen sie das sowieso lieber, mit einem Glas in der Hand und nicht einer Tasse. Und da ihr Bistro inzwischen auch Take-away im Angebot hat, war die Lokalität klar, statt einem Glas gab es allerdings einen Becher, Corona-konform.

Gin im Becher an der Lindenstrasse

Take-away kann ja auch bedeuten, dass man das Take-away in flüssiger Form ein paar Schritte zur anderen Seite der Quartierstrasse trägt. So sassen sie also an diesem frühen Abend, es ist nicht mehr ein Montag, sie sind da flexibel, auf einer kleinen Mauer, ganz bequem war es zwar nicht.

«Ich setze den ersten Nadelstich», sagte Bruno, es kam etwas unvermittelt, und Luca verstand nicht sofort, auf was sein Freund hinaus wollte, er nahm einen nächsten Schluck.

Aber Bruno redete weiter, der Nadelstich sei mit einem ersten Sahnenpass in die Schnittstelle erfolgt, und das erste Tor sei dann ein Dosenöffner gewesen und nicht von schlechten Eltern, aber doch noch nicht die halbe Miete und der Mist noch nicht gekarrt, aber weil auf der anderen Seite der Ball am Tor vorbei gesegelt sei, waren dann die anderen auf der Siegerstrasse.

Jetzt verstand Luca gar nichts mehr, schüttelte nur noch den Kopf, sein Becher war inzwischen leer, und er schaute hoch zum Strassenschild über der Mauer, auf der sie sassen, und sah: Lindenstrasse.

«Müssten wir doch lieber einen Espresso statt diesen Gin trinken?», fragte Luca, leicht besorgt, schmunzelnd zwar, aber Bruno redete einfach weiter, redete davon, dass, nachdem einer die Kugel in die Masche gehämmert habe, hätte er nicht mehr das Gefühl gehabt, dass die anderen den Bock noch einmal umstossen könnten. Der Deckel sei drauf gewesen.

Luca sah auf der Mauer gegenüber dem Bistro längst wie ein Fragezeichen aus. Und jetzt lachte Bruno. «Du», sagte er, «ich habe nur so geredet, wie es der Kommentator diese Woche am Fernsehen gemacht hat. Es ging um Fussball.»

Sie holten sich den nächsten Gin, nicht den letzten an diesem Abend. Und redeten über Fussball. Gin-Gin!

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*»Espresso» war von 2014 bis 2016 eine Kolumne im Tages-Anzeiger.

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