Gier und Romantik

Guillaume Hoarau, wieder jubelnd zurück

Es war die Woche, in der wir wieder erfahren haben, wie schmutzig das Gesicht des Fussballs sein kann, weil es viele gibt, denen es nur um das Geld und um noch mehr Geld und nichts anderes geht. Zwölf Klubs, allesamt hoch verschuldet, wollten noch mehr Milliarden nur noch unter sich aufteilen und gierig in ihrer eigenen Welt spielen, getrieben von Leuten, die gar nicht dem Fussball verbunden sind.

Vielleicht ist es typisch, aber zumindest wohltuend, was in dieser Woche auch war. Auf Youtube suchte ich etwas anderes, und plötzlich erschien auf dem Bildschirm ein kurzer Film, «Europapokal '74», auf dem Titelbild Gerd Müller, der Bomber, dem es seit Jahren gesundheitlich sehr schlecht geht, mit Schnauz und langen Haaren damals, wie er den Pokal in die Höhe stemmt.

TV-Signet der Eurovision

Es kamen Bilder in den Kopf. Immer mittwochs, und nur mittwochs, und ich glaube, es war jeweils immer kurz vor acht Uhr, erschien und ertönte am Fernsehen das blaue Eurovisionsignet, in ganz Europa das gleiche, und die Sprecher oder Sprecherinnen kündigten vorher im Studio die nächste Sendung an, sagten, sie würden jetzt nach Madrid schalten oder nach Mailand oder München. Und in Madrid oder Mailand oder München oder irgendwo begrüsste einer im Stadion vor dem Mikrofon die Zuschauer, er sagte damals noch kaum Zuschauerinnen, mit «Guten Abend», er sagte, in welchem Stadion er war und welche zwei Mannschaften spielen würden, und dann, nur ein paar Augenblicke später, begann das Spiel. Anpfiff, los.

Europacup der Meisterklubs hiess der Wettbewerb, es durften wirklich nur die Meister aus verschiedenen Ländern daran teilnehmen, insgesamt 16 Mannschaften.

War das Spiel zu Ende, Abpfiff, fertig, dann wünschte der Reporter aus dem Stadion «Gute Nacht», und er sagte, er gebe jetzt zurück nach Zürich, und dort war wieder ein Sprecher oder eine Sprecherin, die sagten, welche Sendung jetzt noch folgen würde, sehr bald war Sendeschluss, immer vor Mitternacht.

Bilder von damals, immer mittwochs (Youtube)

Und auch das war diese Woche, am Donnerstagabend, Servette spielte gegen Sion, für mich eigentlich selten ein Grund, so ein Spiel am TV zu sehen, aber er spielte endlich wieder einmal, Guillaume Hoarau, dieser spezielle Fussballer, auch Musiker, und dem, so schien es, inzwischen die Gitarre wichtiger als der Ball geworden ist.

Er hätte vor einem Jahr abtreten sollen, als ihn YB nicht mehr wollte, er hat den richtigen Moment verpasst, dachten viele, auch in Sion - und dann das: Zweimal gab er beim 5:3 der Walliser ein wunderbares Zuspiel, ein Tor schoss er selber, ein poetisches Tor, wie ein Song, den man immer wieder hören will. Sion lebt und hofft wieder, dank ihm.

Auf Youtube mit 1974, am TV mit Hoarau, in dieser Woche, in der die Fans europaweit protestierten, weil man ihnen noch mehr von der Seele dieses Spiels wegnehmen wollte, kamen fussballromantische Gedanken auf. Es waren versöhnliche Momente.

Hoaraus Tor in Genf: Wie ein schöner Song  




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