Keine Weihnachten

 (Foto Melanie Marday-Wettstein)

Ein Gespräch an einem Nebentisch in einem Lokal im Zürcher Seefeld. Er wohl knapp 50 Jahre alt, sie etwas jünger. Sie kennen sich offenbar gut, sind aber kein Paar, waren vielleicht einmal eines. Sie haben sich zu einem Kaffee getroffen, draussen fällt der erste Schnee in diesem Winter.

Sie: Und Ihr?

Er: Was meinst du? Es geht uns ... (er blickt irgendwohin) ... ja, ja, so-la-la, du weisst, jeder hat seine Krisenmomente im Leben.

Sie: Ich meine nicht eure Beziehung, ich frage, wie ihr mit eurer Familie Weihnachten feiern wollt in diesen komischen Zeiten.

Er: Aha. Kompliziert auch das.

Sie: Wir haben einen Plan gemacht, am 24. mit den Eltern, am 25. mit den beiden Schwestern von mir, am 26. mit meinem Grosspapa, unsere kleinen Kinder sind dann bei den Nachbarn, am 27. mit dem Bruder von meinem Partner, am 28. nur unter uns, irgendwann, wohl einmal über Mittag, mit meinem Ex. Doch wir müssen auf Berset warten, vielleicht ist ja alles wieder anders?

Er (etwas unwirsch): Berset? Ein neuer Freund von dir?

Sie: Ich meine den Bundesrat, er bestimmt ja, wie wir dieses Jahr Weihnachten feiern können und dürfen. Zu Zehnt, zu acht, zwei Familien oder drei, Kinder zählen nicht oder doch? Oder nur die, die noch nicht acht sind? Am Heiligen Abend anders als am Weihnachtstag, und auch Stephanstag nochmals anders? Gar mit Maske unter dem Christbaum? Ich weiss nicht mehr, was jetzt gilt.

Er: Am besten wäre ...?

Sie (unterbricht ihn): Was meinst du?

Er: Am besten wäre, Berset und der Bundesrat würden alles verbieten.

Sie: Was? Keine Weihnachten?

Er: Ja, das Jahr 2020 müssen wir sowieso vergessen, so ein Sch... jahr, also schaffen wir auch Weihnachten ab, verschieben sie auf 2021 und feiern dann ausgiebig und in grossem Rahmen.

Sie: Du, ich glaube, du hast doch eine Krise in deiner neuen Beziehung.

Er ruft durch das Lokal: «Bitte, darf ich zahlen»; sie reden nicht mehr miteinander. Draussen hat es aufgehört zu schneien.

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