Lust auf Leben
Fussball im fast leeren Stadion: Bern, 22. Oktober 2020, YB gegen AS Roma. |
Es war die Lust auf Fussball. Endlich, nach langen Monaten, wieder einmal live im Stadion. Sieben Stunden mit einer Maske unterwegs für 90 Minuten Fussball, von Küsnacht nach Bern, mit Zug und Tram zum Wankdorfstadion, YB gegen Roma, das ein Roma B war, und wieder zurück. Abstand überall, komische Begrüssungen, Gesichter, die man im ersten Moment nicht erkennt. Du spinnst, sagte einer, es wäre doch gemütlicher vor dem Fernseher, aber in diesen Zeiten haben wir ja kaum mehr Gelegenheit auszubrechen, live etwas zu erleben, vielleicht ist es ja wieder das letzte Mal für lange.
Ich zögerte lange und ging doch. Und sass im Zug und schaute auf meinem Handy den Streamingdienst «Apple TV+», ein Freund hatte mir den Tipp gegeben, eine Dokumentation über das neue Album von Bruce Springsteen, das diesen Freitag erschienen ist. «Letter To You» heisst es, zwölf Songs, sie handeln von der Vergänglichkeit, vom Tod, von Menschen, die nicht mehr hier sind, von Ängsten und Zweifeln, aber auch von Träumen und Hoffnung, es ist ein Brief von Springsteen an seine Fans, seine Band und auch etwas an sich selber, an sein Leben, es gibt Bilder vom Teeanger Springsteen, und irgendwann im Film redet er vom Glück, in dieser schönen, schrecklichen und hoffnungsvollen Welt atmen zu können.
Das Video zum neuen Springsteen-Album «Letter To You» (Youtube)
In nur vier Tagen haben Springsteen und seine E Street Band das Album aufgenommen, im November vor einem Jahr, und der schöne Film in Schwarz-Weiss dokumentiert, wie die Songs entstanden sind, er zeigt das Leben der Musiker, sie haben sich in ein Studio zurückgezogen, das wie eine Scheune aussieht, auf einem Anwesen von Springsteen im Hinterland New Jerseys. Man bekommt das Gefühl, selber dabei zu sein.
Es schneite damals vor den Fenstern des Studios, es war düster, und es ist auch jetzt düster, und es regnet, in Bern auf dem Weg zum Stadion, im 9er-Tram hat es wenig Leute, und niemand ist in Gelb-Schwarz gekleidet. Es kommt die Roma und fast niemand kann hingehen, 25 000 sagen sie, wären sonst gekommen, jetzt sind es einige Hundert, die dürfen.
In nur vier Tagen haben Springsteen und seine E Street Band das Album aufgenommen, im November vor einem Jahr, und der schöne Film in Schwarz-Weiss dokumentiert, wie die Songs entstanden sind, er zeigt das Leben der Musiker, sie haben sich in ein Studio zurückgezogen, das wie eine Scheune aussieht, auf einem Anwesen von Springsteen im Hinterland New Jerseys. Man bekommt das Gefühl, selber dabei zu sein.
Es schneite damals vor den Fenstern des Studios, es war düster, und es ist auch jetzt düster, und es regnet, in Bern auf dem Weg zum Stadion, im 9er-Tram hat es wenig Leute, und niemand ist in Gelb-Schwarz gekleidet. Es kommt die Roma und fast niemand kann hingehen, 25 000 sagen sie, wären sonst gekommen, jetzt sind es einige Hundert, die dürfen.
»Auf unsere Touren! San Siro! Eröffnungsshow
im San Siro. Der erste von vier Abenden!»
Fast gespenstisch ist es, still draussen, still drinnen. «Hopp YB!» schreit manchmal einer von der Gegentribüne mit heiserer Stimme, «dranne bliibe Giele!» einer hinter mir, es ist der Reporter von Radio Gelb-Schwarz für die YB-Fans, er ist aufgeregt, man hört die Rufe der Spieler und Trainer.In der Springsteen-Dokumentation erheben die Musiker immer wieder das Glas, prosten sich zu, auf das Leben, das war, das kommt, und einmal sagt der grossartige Steven Van Zandt mit seinem Kopftuch: «Auf unsere Touren! San Siro! Eröffnungsshow im San Siro! Der erste von vier Abenden!», sie lachen und sehen glücklich aus. Es war der letzte November, niemand wusste damals, dass ein Virus die Welt verändern wird, sie planten 2021 wieder auf Tour zu gehen, nach 2600 gemeinsamen Konzerten die nächsten.
Einsam im Wankdorf: Der Mediensprecher, der Linienrichter, der Torhüter, der Trainer: Bern, 22. Oktober 2020. |
Die Lust auf Leben. Die Lust auf Fussball. Die Lust auf Konzerte. Live. Mit Tausenden anderen. Im Stadion, aber nicht wie jetzt im Wankdorf mit Maske, und auch nicht wie in dieser Dok. Sie gab nur Einblick, wie es sein könnte. Sie machte Lust. Im Wankdorf verlor man die Lust.
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