Der Stille in der Stille


Einst der Maestro, jetzt ein Mister: Andrea Pirlo, Trainer von Juventus: Turin, Oktober 2020.

Fussballtrainer, die einst grosse Spieler waren und jetzt an der Seitenlinie stehen, erinnern uns an etwas, das war, an frühere Zeiten, es ist der Blick zurück, der wie immer auch etwas verklärt ist. Bilder kommen in den Kopf, Erinnerungen an einzelne Szenen, die man mit einem Namen verbindet, an Spiele, an unvergessliche Momente, manchmal auch, wenn Zinédine Zidane dasteht, elegant in seinem dunklen Mantel, an diesen Kopf, der seinem Fuss immer wieder geniale Einfälle diktierte, der sich aber einmal auch in die Brust eines gegnerischen Spielers rammte, es war das letzte Bild des Fussballers Zidane.

An diesem Mitwochabend stand in Turin Andrea Pirlo an der Linie, seine langen Haare immer noch strähnig und wild, sein Bart noch etwas dichter, er sah damals mit 30 wie 40 aus, ist jetzt 41 und hat sich kaum verändert. Als Spieler war er ein Architekt mit dem geometrischen Auge, Maestro nannten sie ihn, jetzt ist er der Mister, wie sie in Italien sagen, Trainer von Juventus, fast über Nacht ist er es geworden, er war zuvor nie Trainer.

«Ich denke, also spiele ich», der Buchtitel
 von Pirlos Autobiografie

Da stand er also, und wenn einer passt in diese jetzige Fussballwelt, die eine andere ist, weil alles anders ist in diesen Zeiten, und fast so etwas wie das Sinnbild verkörpert, dann er: Er war damals der stille Anführer, der wenig sprach und wenn nur leise, ein unaufgeregter Schweiger in einem Business, in dem viele laut und schrill sind, sein Gesicht von Melancholie umhüllt, sein Spiel mit dem Ball samt und fein, schöne Poesie. “Ich denke, also spiele ich”, ist der Buchtitel seiner Autobiografie.

Es ist europaweit still in den Stadien, und wird jetzt, wo fast überall wieder alle ausgesperrt sind, noch stiller, man hört aus den Stadien nur einzelne Stimmen statt eine laute Stimmung.

Die Stille mit dem stillen Pirlo. Er sagt, er fühle sich manchmal machtlos, als Spieler hätte er etwas beeinflussen können, mit seinen Füssen, ohne reden zu müssen, als Trainer stehe er draussen, könne er nicht mehr eingreifen. Er muss die richtigen Worte finden. Es gibt einige, die zweifeln, ob er das kann.

Aber es war ein schönes TV-Bild aus Turin an diesem Mittwochabend, sein Gesicht, sein Blick, seine Ruhe, seine Gelassenheit. Es war noch stiller als still mit Andrea Pirlo. Und es kam auch der Eindruck auf: Er leidet. 

Einst ein stiller Anführer auf dem Platz: Andrea Pirlo im Juve-Dress.




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