Gitter statt Glitzer

YB, zum dritten Mal Meister: Sion, 31. Juli 2020.

Es ist wie bei einem Geburtstagsfest, und es ist ein ganz besonderer Tag, eine besondere Zahl. Man hatte alle eingeladen, die man kennt, es ist eine riesige Party, man tanzt, man lacht, man gratuliert und umarmt sich und kommt sich nahe, es ist eine Nacht ohne Ende, ein rauschendes Fest, und alle sind glücklich, und noch Jahre später werden alle davon erzählen, die dabei waren. Und davon schwärmen, und jeder und jede hat sein eigenes Erlebnis aus dieser schönen Sternennacht. Es war unvergesslich, vielleicht wird es nie mehr ein solches Fest geben.

Es ist wie ein Geburtstagsfest in einem kleineren Rahmen, man sitzt zusammen auf dem Sofa und stösst an und feiert ein wenig, man hat es lustig und ist vergnügt, aber es ist eben doch kein besonderer Tag, nicht mehr so, wie es im Jahr zuvor war, bei diesem aussergewöhnlichen Fest damals.

Es ist wie ein Geburtstagsfest, aber es ist etwas kompliziert, etwas planlos, man wusste nicht genau, soll man es nun heute oder doch halt erst morgen feiern, denn der Rahmen zu einem Fest passt irgendwie nicht, zu viel ist dazwischen gekommen, irgendwie war es vielen auch unpässlich, alle sind verhalten und nicht in bester Stimmung.

YB vor zwei Jahren. Das war eine Nacht in Gelb-schwarz, eine Stadt in Ekstase, 40 000, die plötzlich auf dem Rasen standen und tanzten und sangen und jubelten und staunten und es nicht glauben konnten, dass es endlich, endlich soweit war, nach langen, langen 32 Jahren, es war wie ein Rausch, und morgens um vier waren immer noch alle irgendwo und irgendwie unterwegs, trug einer einen Torpfosten durch die Stadt, als Andenken an diesen denkwürdigen 28. April 2018.

YB, erstmals Meister seit 1986, umjubelt im Stadion: Bern, 28. April 2018.

YB vor einem Jahr. Da sassen die Spieler im Wankdorf, das damals das Stade de Suisse war, in einer Lounge, vor dem Fernseher und sahen, wie Basel nicht gewann und sie deshalb und wieder Meister wurden, schon viele Wochen vor dem Ende der Meisterschaft, mitte April. Und tags darauf spielten sie nachmittags in Zürich, sie feierten dort in einer Stadionecke mit ihren mitgereisten Fans, sie feierten zurück im Bus nach Bern, sie fuhren nach einigen Extrarunden im Quartier ins Stadion, und dort warteten immerhin 7000, jeder einzelne Spieler bekam seinen Auftritt, Marco Wölfli, der ewige YB-Torhüter mit Bier und Zigarre, in Cap und Meister-T-Shirt, aber es war eben doch ganz anders als im Jahr zuvor, nicht mehr so unmittelbar, sondern sehr gesittet, Wölfli stand jetzt alleine mit seinen Mitspielern auf dem Kunstrasen, die Fans durch ein Gitter getrennt.

YB jetzt. Gestern in Sitten, die Berner holten den Punkt, den sie noch brauchten, sie hüpften im Kreise wie in der Kinderspielgruppe und jubelten mit Champagner im fremden Stadion, holten wieder den Titel, den dritten nacheinander, und fast niemand durfte live zusehen und mitjubeln. Sie fuhren als Meister zurück im Bus nach Bern, dort durften keine Tausende warten, gab es keine offizielle Feier. Der Klub hatte schon tags zuvor gebeten, die Fans sollen nur in kleinem Rahmen zusammen sein, die Spieler würden sich nirgends in der Stadt zeigen. Ein versteckter (Geister-)Meister.

Gratulation an die Youngs Boys! Aber es bleibt die bange Frage: Wie wird es in einem Jahr sein? Gibt es dann überhaupt noch Grund zum Jubeln, bei YB oder anderswo? Weil im Moment sich alle fragen, ob der Fussball bis dann überhaupt überleben kann. Nicht nur der Fussball, ganz vieles. Es ist eigentlich gar nicht lustig.

YB, zum zweiten Mal Meister, einsam auf dem Rasen: Bern, 14. April 2019.




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