Der stille Hansi


Hansi Flick und sein dritter Pokal: Lissabon, 23. August 2020.

1985 war es, Uli Hoeness noch der junge Manager bei Bayern München, als er jemand losschickte, um einen 20-jährigen Fussballer zu beobachten, der in der 3. Liga bei Sandhausen spielte. Er hatte einen Tipp bekommen. Am andern Tag sass dieser junge Fussballer mit Hoeness in einem noblen Restaurant in München und unterschrieb einen Vertrag.

Hansi Flick, er hiess eigentlich Hans-Dieter, aber alle sagen Hansi, und auch heute noch korrigiert er alle, die ihm Hans-Dieter sagen wollen, blieb dann fünf Jahre in München, er war ein Kämpfer und Arbeiter im Mittelfeld, immer im Dienste der Mannschaft.

Flick und Hoeness mochten sich, aber Hoeness mag eigentlich alle, die für seinen FC Bayern spielen oder spielten.

Im Mai 2018, es war eher zufällig, trafen sich die beiden wieder einmal, bei einem Spiel auf dem Lande, Bayern trat mit einer Mannschaft mit bekanntem Namen von früher an. «Ich stand hinter dem Grill», erinnert sich Hoeness, natürlich grillierte er Hoeness-Würste; Hansi Flick war auch dort, und die beiden haben lange und viel geredet, über dies und das, und auch darüber, ob sich Flick vorstellen könne, auch mal eine Funktion beim FC Bayern zu übernehmen. Viele, die ja einmal hier waren, kehren zum Klub zurück, für irgendetwas.

Für zwei Spiele, mindestens bis Weihnachten,
mindestens vorläufig, mindestens bis Saisonende

Ein Jahr später, im Mai 2019, rief Hoeness den Hansi an, ob er sich jetzt vorstellen könne, zum FC Bayern zu kommen, als Assistent von Niko Kovac. Flick konnte es.

Er war fünf Monate Assistent. Bis Bayern immer mehr kriselte, die Mannschaft offenbar nicht mehr geeint war, überaltert und lustlos, wie die Medien schrieben, Thomas Müller nur noch einige Minuten spielen durfte, «wenn Not am Mann war» (Kovac), und viele meinten, die grosse Zeit des FC Bayern sei vorbei, es gäbe einen Wechsel in der Hierarchie des deutschen Fussballs.

Kovac musste gehen. In der Not wurde Flick berufen. Vorläufig für zwei Spiele, interimsweise, dann mindestens bis Weihnachten, als Weihnachten war, mindestens bis Saisonenende, mindestens bis vorläufig. Ein Trainer in der Not zur Probe. Im Kopf hatten sie bei Bayern andere Namen: Wenger, Rangnick, vielleicht nochmals Guardiola, Tuchel.

Denn viele, auch im Klub, fragten sich: Kann er das, der nette, stille, bescheidene und immer freundliche Hansi Flick, den zwar alle mögen, der aber nie irgendwo Cheftrainer war? Zwar 2014 Weltmeister, als Assistent von Jogi Löw, acht Jahre lang war er es, aber ein Reporter der «Süddeutschen Zeitung» schrieb es mal so: Wenn der Deutsche Fussballbund den Journalisten jeweils ein SMS schickte mit den Namen, die bei der Medienkonferenz auftreten sollen und dann «Hansi Flick» draufstand, fragten sich alle: «Was soll man da schreiben. Der nette Hansi sagt doch nichts.»

Im Februar in diesem Jahr zweifelten sie bei Bayern nicht mehr: Sie gaben Hansi Flick einen Vertrag als Chef bis 2023.

Bayern wurde mit Flick Meister, Cupsieger – und am Sonntagabend in Lissabon auch die Nummer 1 in Europa, 29 der letzten 30 Spiele gewannen die Münchner. Uli Hoeness war im Estadio da Luz, mit rotem Schal natürlich, sein Gesicht strahlte rot vor Glück im Stadion des Lichts, und er meldete: «Es war ein wunderbarer Abend, im kleinen Kreis haben wir wunderbar gefeiert.»


Umjubelt vom seinen Spielern: Lissabon, 23. August 2020.

Auf dem Jubelfoto mit dem Pokal steht Hansi Flick in der hintersten Reihe, glücklich, aber nicht überschwänglich feiernd, und als es darum ging, ein Bild mit dem ganzen Betreuerstab zu machen, fuchtelte er wild mit den Händen, weil einer seiner Assistenten noch fehlte. Das Team als Einheit – das ist das Wichtigste für ihn. Es geht ihm nie um einen Einzelnen, immer nur um die Mannschaft.

Flick hielt später eine Bierflasche in der Hand, er mag es lieber als Champagner, er hielt sich lieber abseits der grossen Feier auf. Und Thomas Müller, der Mann, der weg wollte und den Hansi Flick wieder zum Thomas Müller machte, der vielleicht so gut wie noch nie ist, sagte in ein TV-Mikrofon: «Wir streiten uns darum, wer den Fehler eines anderen ausbügeln darf.»

Guardiola, Mourinho, Heynckes – diese drei Trainer gewannen bisher das Triple, Meisterschaft, Cup und Champions League. Jetzt kommt Flick dazu, der stille, nette, bescheidene Hansi.

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