Schlafen im Schliessfach


Ein Hotel nur mit Kapseln in Tokio.

Damals in Tokio, im Sommer 2002 war es, die Fussball-Weltmeisterschaft, die gleichzeitig in Japan und Südkorea stattfand. Wir, der Asien-Korrespondent des «Tages-Anzeigers» und ich, hatten uns seit Tagen auf diese Nacht vorbereitet, im Kopf wenigstens, und ausgemalt wie es sein wird: Schlafen in einem Schliessfach. 2 Meter lang, 80 Zentimeter hoch, 80 Zentimeter breit. Ein Kapselhotel, ich hatte vorher nie davon gehört.

In Japan gab es damals und gibt es heute noch viele solche, in den 70er-Jahren war das erste in Osaka gebaut worden.

Unseres war im Tokioter Stadtteil Shibuya, und wir gingen zuerst in ein Pub, von denen es in diesem Bezirk sehr viele hat, wir waren einige Zeit dort, am TV wurde der Halbfinal Südkorea gegen Deutschland übertragen. Es war eine tolle und sehr ausgelassene Stimmung, die Japaner schrien für Korea, das war in der Geschichte nicht immer so, ich aber hatte nur die Zahlen im Kopf, 200x80x80.

Blau vielleicht auch, weil diese Kapselhotels vor allem von Geschäftsleuten benutzt werden, die den Heimweg nicht mehr fanden.


Ich stellte mir vor, wie es sein wird, in dieser engen Kapsel, 40 nebeneinander und 3 übereinander seien es, die oberen über eine Leiter erreichbar, so erzählte es mein Kollege, jede habe immerhin einen Mini-TV, eine Wegwerfzahnbürste gebe es, eine Seife und einen Kamm, und das Nachthemd, das man bekomme, sei für alle blau.

Blau vielleicht auch, weil diese Kapselhotels vor allem von Geschäftsleuten genutzt werden, die den Heimweg nicht mehr finden oder den letzten Zug verpassen, weil die Abende in den vielen Clubs etwas gar lange dauerten. Und unseres leuchtete auch blau.

Wir tranken gleich nebenan noch ein weiteres Glas, wir waren doch etwas aufgeregt, ich wenigstens, ich dachte, es sei wohl dann am besten, gleich die Augen zu schliessen und nicht daran zu denken, dass oben und hinten und vorne und nebenan gleich eine Wand käme und auch schon gleich der Nächste läge, oben und unten und nebenan.

Wir gingen hin. Der Mann am Empfang sagte zuerst nichts, dann winkte er ab, «ippai», sagte er, mein Kollege verstand japanisch, «voll» sei es, der Mann am Empfang wiederholte es, sagte nur dieses Wort, nicht freundlich, nicht bedauernd. Wir sahen noch kurz durch den Gang. Einer in blauen kurzen Hosen verschwand eben um die Ecke. Er wankte ziemlich und bedrohlich.

Seit diesen Sommer auch in Zürich: TA vom 16. Juli.

Weshalb ich das schreibe? In Zürich, berichtete der «Tages-Anzeiger» in dieser Woche, ist das erste Kapselhotel eröffnet worden. Vom Balkon im ersten Stock habe man eine wunderbare Sicht auf die Schifflände. Das nützt in der Kapsel auch nichts.

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