Hallelujah hoch oben über Zürich

«Tribute to Leonard Cohen», ein Konzert im Park: Juli 2020, Rigiblick Zürich.

So romantisch muss es gewesen sein, in heissen Sommernächten auf der griechischen Insel Hydra am ägäischen Meer, im flimmernden Licht der Abendsonne. Leonard Cohen, es war in den 60er-Jahren, schrieb Gedichte und Romane, und er lernte vor allem die Norwegerin Marianne Ihlen kennen, seine erste grosse von vielen Lieben.

Es war auch ein romantischer Abend, an diesem Mittwoch hoch oben über Zürich, es war schwül und der Himmel noch blau, aber über dem Uetliberg zogen dunkle Wolken auf, es war diese faszinierende Stimmung vor einem Gewitter.

Und wir hörten Leonard Cohen. Unter freiem Himmel, im Park neben dem Theater Rigiblick, Lieder von Cohen, gesungen von Verschiedenen, eine wunderbare Hommage an den 2016 verstorbenen kanadischen Poeten. Ein Konzert in Zeiten, in denen keine Konzerte möglich sind und Fussball vor Geistern gespielt werden muss, Daniel Rohr, der «Daniel Düsentrieb der Kulturbranche» (NZZ) es aber möglich macht, mit besonderen Massnahmen.

Rigiblick-«Düsentrieb» Daniel Rohr vor dem Konzert: Juli 2020, Zürich.

Mücken schwirren, Vögel zwitschern im nahen Wald, der Lärm der Stadt ist weit weg, und wir schliessen die Augen und sehen Leonard Cohen vor uns. Es kommen Erinnerungen auf, an andere Abende mit ihm, auf der Piazza San Marco in Venedig, es regnete damals in Strömen, dem Marktplatz in Lörrach, an Montreux, Barcelona, Basel, Berlin, Wien oder Zürich, Abende mit dem ewigen Grübler, Melancholiker und Suchenden mit den «gesungenen Gebeten», wie Bob Dylan einmal meinte. Und sehen ihn, leicht gebückt und manchmal kniend, wieder auf den Bühnen, immer in einem Massanzug und mit seinem schwarzen Hut, den er beim Applaus in die Hand nimmt, demütig fast vor seine Brust hält, sich verbeugt und dankt, wie immer etwas verlegen sein Lächeln. 

Es blitzt und donnert, das Spiel ist aus, wir verlassen die Stühle.

Das erste Lied, über dem Rigiblick schien noch die Sonne, ist sein bittersüsses «So long» an seine Marianne von der Insel, Lukas Langenegger und seine wunderbare Stimme, «Hallelujah» durfte später nicht fehlen, stark vorgetragen von Tobey Lucas. Doch es wurde bald dunkler, weit weg donnerte es, und Regen fiel, nicht lange zwar, und so endete der Abend mit dem Album, das zwei Wochen vor seinem Tod herausgekommen war, einem seiner besten, ein Werk voller Abschiede, «You Want It Darker». Es passte, es wurde jetzt fast schwarz über Zürich. «I'm leaving the table / I'm out of the game» heisst es in einem Lied.

Wir stehen auf, verlassen die Stühle im Park, es blitzt und donnert, das Spiel ist aus. Doch wir hätten das Konzert - endlich ein Konzert! - noch lange geniessen wollen. Nach seinem Tod ist nochmals ein Album erschienen, aus seinem Nachlass, nur 29 Minuten lang, «Thanks for the Dance». Wir hätten eine Nacht lang getanzt zu den Songs, in einem besingt er die kleinen Freuden des Lebens. Wir sollten auf den Schmetterling horchen, nicht auf ihn, sagte er. Es hätte in der warmen Gewitterluft des Rigiblicks sicher welche gehabt.



«Hallelujah», vorgetragen von Tobey Lucas auf dem Rigiblick.

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