Hupen nach dem letzten Satz

Axel Hacke liest, und im Auto kann man zuhören: Kassel, Mai 2020.

Es war ein Hupkonzert, so, wie es zu hören ist in einer Stadt nach einem gewonnenen WM-Spiel. Sie hupten lange, und sie sassen glücklich in ihren parkierten Autos, sie hatten vorher andächtig zugehört und auch auf einen grossen Bildschirm geschaut. Es war eine Lesung gewesen. Eine Auto-Lesung. Axel Hacke, der deutsche Autor und Kolumnist, hatte dies kürzlich in Kassel zum ersten Mal gemacht.

Er sass in einem kleinen Zelt, es regnete auf das Dach, er hatte ein Mikrofon vor sich und eine Kamera war auf ihn gerichtet. So erzählte und las er, einige seiner über tausend Kolumnen, die er geschrieben hat, und aus seinen Büchern, «Wozu wir da sind» war das letzte, und er war da, weil in diesen Zeiten auch Autoren gezwungen werden, neue Auto-Wege zu gehen. 


Er sagt, es sei schon etwas gewohnheitsbedürftig gewesen, einfach so alleine da zu sitzen, ohne Kontakt zum Publikum, und nicht zu hören, wie vielleicht geraunt, gelacht, geschwiegen oder auch geklatscht werde. Und anfänglich hatte er, da sein Zelt direkt hinter dem grossen Screen stand, zu fest auf die Autos geschaut und nicht direkt in die Kamera. Aber nach zwei Stunden, nach seinem letzten Satz, da begann es, das Hupkonzert, laut und lang, Lesungen mit Hacke sind immer ein Stück Comedy. Es sei ein seltsam-rares und doch sehr schönes Erlebnis gewesen, schreibt Hacke auf Facebook. Das Publikum sei vielleicht mit Proviant und einem Gläschen von diesem oder jenem versorgt im Auto gesessen, dazu Kissen und Schlafsack, und wahrscheinlich knutsche mancher auch noch, das sei ja alte Tradition im Autokino.


Mikrofon und eine Kamera: Axel Hacke in Kassel.

Ein Experiment war es. Kultur im Auto. Das Kino am See in Zürich, es sind immer romantische Abende mit einer Leinwand und Schiffen oder auch Schwänen als Hintergrund und der untergehenden Sonne, soll dieses Jahr in verschiedenen Schweizer Städten auf grossen Plätzen als Autokino durchgeführt werden, romantisch kann da wohl nur der Film sein. In Bonn planen sie ein Theater, inmitten der parkierten Autos sollen Bühnen aufgestellt werden, auch eine Leinwand hat es, der Ton kommt über das Autoradio.
Eine Idee für GC-Spiele im Auto und Sommerferien am Strand in Italien.
Und in München gibt es diesen Samstag Basketball im Auto. Im Audi-Dome können keine Zuschauer dabei sein, wenn der FC Bayern die Meisterschaft fortsetzt, aber es gibt ein Audi Urban Cinema im Audi Brand Experience Center am Münchner Flughafen, 140 Autos finden Platz, die Automarke ist immerhin nicht vorgeschrieben, vier Leute dürfen drin sitzen, «don’t drink and drive» steht als Warnung, der Eintrittspreis (10 Euro) geht an einen guten Zweck.

Lesungen, Kino, Theater, Basketball im Auto, es bringt mich auf Ideen.

Die Fans der Grasshoppers könnten doch ihre Autos auf der Brache in Züri-West parkieren, wo einst der alte, wunderbare Hardturm stand, und dort auf einer Leinwand zusehen und am Radio mithören, wenn ihr Klub im für sie ungeliebten Letzigrund ein paar hundert Meter entfernt spielt. Der Lärm wäre wahrscheinlich für die Anwohner hoch oben in Höngg, die sich auch gegen Schattenwurf des Stadionbaus wehrten, ein Problem, es würde wohl 90 Minuten lang gehupt werden. 

In der Brache Hardturm im Auto zusehen, wenn GC im Letzigrund spielt?

Oder, jetzt dann, Sommerferien an irgendeinem italienischen Strand: Hin mit dem Auto, die Fenster runter, Musik über das Radio, jeder darf pro Stunde sein Auto fünf Minuten verlassen, aber nicht alle zusammen, raus ins Meer, abtrocknen, wieder zurück. Cabrios sind nicht zugelassen, das Sonnenbaden soll für alle gleich sein. 

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