Fussball reden

Eigentlich waren alle Bälle tückisch: Damals, an einem Freitagabend. 

Die Bilder erinnern an früher. Sie wecken Bilder im Kopf, wie es war damals – und es heute sicher noch ist –; damals, als wir selber ein Teil des Spiels waren, und deshalb wird man wehmütig und denkt zurück. Man möchte, dass es nochmals so sein könnte, wie es war. Damals. Und wir mittendrin. Im Spiel.

Damals. Auf Fussballplätzen irgendwo auf dem Land oder in einem Quartier, es war manchmal mehr ein Acker als ein Rasen, Freitagabend meistens, ein paar hohe Lichtmasten rundherum, mehr Masten als Licht, und je später der Abend, desto dunkler wurde es. Aber wir spielten. Leidenschaftlich.


Es ging um viel – und nichts. Ich stand ganz hinten, im Tor, ich rief – «rächts, meh rächts, nei links, deck' ihn änger, he!!, rächts, rächts, pass' uf, da chunnt no eine, he!! he!!» –, ich rief viel und sah viel, da hinten im Tor sieht man das Spiel und den Ball, und man sieht auch Gefahren, die wohl keine sind, es schien immer gefährlich. Für mich im Tor.
«Häsch en?!», rief er, bevor der gegnerische Stürmer, der schiessen sollte, schon schoss.
Und die vor mir riefen oder schrien auch, besonders einer – er war eigentlich ein guter Freund, wir waren ja eigentlich alles gute Freunde – aber er, dieser besonders gute Freund, schrie besonders viel und laut, und sehr oft meinte er mich. «Häsch en?!», schrie er, bevor der gegnerische Stürmer, der schiessen sollte, schon schoss. «Häsch en», prophylaktisch einfach, weil er, mein guter Freund vor mir, zu langsam war und zu weit weg stand von dem, der jetzt dann vielleicht schiessen würde. 

Und wenn ich ihn nicht gehalten hatte, den Ball, weil er mich überraschte und sehr tückisch war, viele Bälle waren tückisch, eigentlich alle waren es, dann rief er, mein Freund, sehr abschätzig, und er unterstrich es mit einer Handbewegung, auch die war beleidigend: «Du Pfiffe!», oder Varianten davon: «Du Sieb!, du Pumpi!», und meistens dazu noch: «Hebsch au e mal eine», dazu kein Frage-, sondern ungefähr zehn Ausrufezeichen.

Es wurde viel geredet, bei uns Senioren, bei diesen Spielen auf irgendeinem Platz, am Freitagabend im schalen Licht, je älter wir wurden, umso mehr, und es waren ja immer Geisterspiele, weil draussen niemand zusah, man hörte jedes Wort. 


Jeder Spielzug wird von den Spielern kommentiert: Heute, Geisterspiele.

Und heute. Bei diesen Spielen, den richtigen Geisterspielen, und bei denen die TV-Schreihälse auf ihren Sendern noch lauter schreien und ständig betonen, wie schön es sei, dass der Ball wieder rollt und wie schrecklich es gewesen sei, als es nicht so war, bei diesen Spielen also hört man im Stadion oder vor dem Fernseher auch wieder jedes Wort.

Es ist ein ständiges Geschreie, es wird mit Worten dirigiert, es wird nicht nur Fussball gespielt, sondern auch laut Fussball geredet. Bei einigen wirkt es wie eine Livereportage, jeder Spielzug wird kommentiert, als wären 22 Beni Thurnheers auf dem Platz.

Nur, und das ist ein Unterschied zu uns damals, zu meinem lieben Freund, der vor mir spielte und manchmal nicht so lieb war sondern richtig gemein: Die Worte jetzt sind zivilisierter, meistens wenigstens, sie sollen dem Mitspieler helfen und sagen, was er zu tun hat, wohin er sich bewegen soll, rechts, rechts, links, nach vorne.

Aber alle wissen natürlich: Es wird ihnen zugehört zu Hause, jedes Wort geht um die Welt. Nicht wie bei uns damals.

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