Welche Bilder bleiben vom Mai?

Impressionen aus diesen Zeiten. Und einige Gedanken dazu.

Gitterspiel. Ping. Oder pong. Oder päng. Wie lieb ich dieses Spiel. Bin fast süchtig danach. Ein Ball, 4 Gramm schwer, Durchmesser 4 Zentimeter, aus Kunststoff, weiss oder orange. Max Frisch hat dieses Spiel einst auch geliebt. Er soll ehrgeizig gewesen sein, ist manchmal fast zornig geworden nach einem verpassten Ball und völlig entfesselt, wenn er spielte, meistens mit seiner Pfeife im Mund. Manchmal spielte er auch gegen Friedrich Dürrenmatt. Was für ein Duell, wie ein Wortwechsel. Ping. Pong. Päng. Der Tisch, an dem ich diese Leidenschaft vor zwei Jahren wieder entdeckte, steht hinter Gittern. - Küsnacht, Badi Kusen.


Logenplatz. Der Stuhl ist frei, er steht in der ersten Reihe. Mit gutem Blick, niemand versperrt die Sicht. Doch auf der Bühne spielt niemand. Keine Aufführung, keine Musik, kein Theater, keine Lesung, kein Match, nichts in diesen Wochen. - Zürich, Sechseläutenplatz beim Opernhaus.


Gitteressen. Der Tisch ist gedeckt, Die Stimmung wunderbar, blauer Himmel, ein Sommer im Mai. Es lockt der See zum Bade, zuvor oder danach. Es ist aber wie in einem Gefängnis. Wir sind eingesperrt. - Küsnacht, Kusen-Bad.


Distanzwinken. Besuche sind nicht möglich. Aber wenigstens Kontakte. Aus Distanz. Sie winken sich zu, meine Schwester, meine Mutter. Ein Graben ist dazwischen. Social distancing, räumliche Distanzierung, und dabei täte Nähe so gut, in solchen Momenten besonders. – Küsnacht, Alterssiedlung Bethesda.


Freiheitsgefühl. Reinhard Mey hat ein schönes Lied darüber geschrieben. Über die Freiheit, die über den Wolken grenzenlos sein muss. Alle Ängste, alle Sorgen blieben darunter verborgen. Daran muss ich denken. Der Himmel streifenlos und blau, oben schwebt einer, ohne Wolken, entflohen von all dem, was uns darunter beschäftigt. – Pany, Graubünden.


Bistrooffice. Der Cappuccino daneben, die Zeitung und, nur notfalls (und ungebraucht) auch die Maske, eine spezielle, aber vor allem: Nicht mehr nur Homeoffice, sondern die Freiheit, den Laptop irgendwo hinzunehmen. Und dort den ersten Satz zu suchen. Und auch hier manchmal verzweifeln, dass er nicht einfällt. Und vorläufig alles ausfällt. – Serge, Zürich-Seefeld. 


Verhüllungsspiel. In der «Zeit» gesehen, ein Bild des belgischen surrealistischen Malers René Magritte, «Die Liebenden» heisst es. Und in der Zeitung auch einen Text zum Thema gelesen, das uns alle beschäftigt: «Viele Menschen fragen sich: War das alles notwenig? Und ist es das noch?» Ich blicke vom Balkon auf eine Wiese am See: Die Menschen sitzen an der Sonne, einige dicht und gar nicht distanziert zusammen, und so gross kann eine Familie gar nicht sein, dass es eine ist. Andere mit Abstand, zu zweit. Irgendwann werden wir wissen, ob wir alles richtig gemacht haben – aber einige meinen, jetzt jetzt schon zu wissen. Es ist immer noch ein gefährliches Spiel.


Maskenball. Die Spieler, denen sie zuschauen, kämpfen hautnah um einen Ball. Mit engem Körperkontakt. Ihr Spiel kennt keinen Abstand. Aber sie, die sie vielleicht ersetzen müssen, tragen Masken und müssen auf der Tribüne zwei Meter auseinander sitzen. So verlangen es die Vorschriften. - Berlin, die Ersatzspieler von Bayern München im Spiel gegen die Union.

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