Uli Hoeness, 36.4, fieberfrei

Uli Hoeness klatscht mit Maske: Allianz-Arena, München, 23. Mai 2020.

Was macht der da?, fragte sich Uli Hoeness, als er am Samstagabend mit seinem Wagen an der Eingangsschranke zur Allianz Arena in Fröttmaning im Norden von München stand und die Fensterscheibe herunter gelassen hatte. Ein Ordner hielt ihm ein kleines Gerät an die Stirn und sagte einen kurzen Moment später: «Gut, 36.4.»

Hoeness war fieberfrei. Er durfte zu seinem Parkplatz fahren, direkt beim Eingang zum Ehrengastbereich, wie immer öffnete er den Kofferraum, nahm seinen rot-weissen Schal heraus, es ist immer der gleiche, doch diesmal hielt er noch etwas in der Hand, es ist auch rot, die Farbe seiner Bayern, seines Klubs, seiner Liebe. Es gibt im Fanshop den Uli-Hoeness-Schal, und bald wird es vielleicht die Uli-Hoeness-Maske geben.

Uli Hoeness findet, dass schon einiges seit langem nicht mehr gesund gewesen sei.
Und so sass er dann auf der Tribüne mit Schal und Maske, als einer der ganz wenigen, die dabei sein durften, als geladener Geist im Geisterspiel zwischen Bayern und Frankfurt. Links neben ihm, mit zwei leeren Sitzen Abstand, ein anderer Ehrenpräsident, Franz Beckenbauer, der sich nach einer weiteren Operation, diesmal an den Leisten, erstmals wieder öffentlich zeigte; er ist dünn geworden, seine Haltung gebeugt. Und rechts daneben Oliver Kahn, der frühere Titan im Tor, der jetzt im Vorstand der Bayern ist, seine Maske blau, noch nicht klubkonform.

Bayern schoss an diesem Samstagabend fünf Tore, normalerweise würde Hoeness bei jedem einzelnen aufspringen, seine Arme zur Stadiondecke strecken, glückselig strahlen und die um ihn Herumsitzenden umarmen oder zumindest abklatschen, doch es ist eben nichts mehr normal, und so klatscht er nur artig, seine Mimik ist hinter der Maske versteckt, bestimmt hat er glücklich gelächelt.


Oliver Kahn, Uli Hoeness und Franz Beckenbauer, die Geister im Geisterspiel: München, 23. Mai.

Er war zufrieden mit dem, was er sah, seine Bayern siegten 5:2, und vor allem ist er froh, dass überhaupt wieder gespielt werden darf. Er findet, dass Deutschland in dieser Krise ganz vieles richtig macht, er lobt Merkel, die Kanzlerin, und Söder, Bayerns Ministerpräsidenten, und er versteht nicht, dass in der Schweiz das Maskentragen in den Läden und im öffentlichen Verkehr nicht obligatorisch ist. «Ich glaube, das ist etwas sehr Sinnvolles und schützt uns», sagt Hoeness. Und er ärgert sich gewaltig über jene, die jetzt sagen, die Massnahmen seien übertrieben gewesen, das seien schlimme Ignoranten. Er findet es schlimm, wenn man aus- und hochrechnet, was ein Menschenleben kostet.

Uli Hoeness, der Bauchmensch, sagt, sein Bauch sage ihm, dass noch sehr lange nichts mehr sein werde, wie es einmal war.
Uli Hoeness, der Bauchmensch, sagt, sein Bauch sage ihm, dass noch sehr lange nichts mehr sein werde, wie es einmal war, nicht nur auf den Fussball bezogen. Und er findet, und er bezieht es jetzt vor allem auf den Fussball, einiges sei wohl schon lange nicht mehr gesund gewesen und werde sich verändern müssen. Es könne doch nicht sein, dass einigen Vereinen die Pleite droht, nur weil sie auf einen Teil der TV-Gelder hätten verzichten müssen. «Da stimmt etwas nicht», sagt Hoeness.

Seit Samstagabend weiss er auch: Fiebermessen geht kontaktlos. Er wird in eine Apotheke gehen und auch «so ein Gerät» kaufen. Um es sich selber an die Stirne zu halten, zuhause am Tegernsee. Nicht, dass er Angst hätte, dass es plötzlich 39.0 anzeigen wird. Denn Hoeness ist sehr vorsichtig. Am Fernseher sieht man, wie sich Kahn in der Pause des Spiels auf der Tribüne kurz von seiner blauen Maske befreit. Hoeness hingegen bleibt rot verhüllt.

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