Verpasste Lieder und anderes

Mariza, Faber, Pippo, Tote Hosen, Hopper, Schützenwiese, Schneider, Bichsel - vieles und viele. Alles und alle im Kalender.



So war es auf der Piazza Grande: Locarno, Juli 2019.

Ich schaue in meinem Kalender nach, seit diesem Dienstag Mitte März, als von einem Tag auf den anderen nichts mehr war, wie es zuvor war. Es hat einige Eintragungen, sie stehen da, aber es ist keine Erinnerung damit verbunden.

Der Abend mit Manuel Stahlberger, dem St. Galler Liedermacher und Kabarettisten mit seinen hintergründigen Texten aus dem Alltag, mal satirisch, mal verspielt, mal lustig, immer intelligent.

Ein Abend mit Mariza, der portugiesischen Fado-Sängerin, schwermütig und melancholisch, sie interpretiere den süssen Weltschmerz so wunderbar, schrieb der «Spiegel» einmal. Schon ihr Geburtsname ist poetisch: Marisa dos Reis Nunes.

Ein Abend mit Faber mit seinen provozierenden Songs und melodramatischen Texten, er erfindet wunderbare Geschichten und sucht den Widerspruch, seine Stimme erinnere an Cohen, er habe etwas von Brel, Cave, Waits oder Morrison stand schon geschrieben.

Oder zwei Abende mit seinem Vater, Pippo Pollina. Einer im Rössli in Stäfa, im Kerzenlicht, er nur mit seiner Gitarre und ohne jegliche Verstärker. Ein anderer im Casino-Theater in Winterthur, Pippo hätte dort seine Lieblingslieder gecovert, von Led Zeppelin, Jacques Brel, Leonard Cohen, Francesco De Gregori, Eduardo Bennato, Lucio Dalla oder Lucio Battisti. Ein Abend zum Träumen. Mit Sina war am gleichen Ort eine gleiche Idee geplant gewesen.

Es wäre sicher eine schwüle Sommernacht geworden, mit den Toten Hosen auf der Piazza in Locarno.
Ein Abend mit dem irischen Sänger Ronan Keating, vielleicht hätte er im KKL in Luzern auch sein Lied «When You Say Nothing at All» gesungen, damit hatte einst seine Karriere begonnen, Julia Roberts soll geweint haben, als sie den Song für den Film «Notting Hill» das erste Mal hörte.

Der Abend, immer ein Montag, immer am Ersten eines Monats, im «Bohemia» am Kreuzplatz in Zürich, «Happy Monday» heisst er, es sind fast immer die gleichen Leute hier, jedesmal spielt Ernst Wirz auf seinem Saxophon und seine Band, ein Gast singt.

Ein Abend mit den Toten Hosen, er käme zwar erst, anfangs Juli, aber es ist undenkbar, dass er kommen wird, in Locarno auf der Piazza Grande, dichtgedrängt würden Tausende stehen und tanzen. Es wäre sicher eine schwüle Sommernacht geworden, unter Sternen und im Mondlicht, einige wären auf den Balkonen der umliegenden Häuser gestanden, hätten von dort mitgesungen wie auch jetzt immer wieder Leute auf Balkonen stehen und singen. Oder ein anderer Abend dort, an einem Sonntag wäre es, mit Francesco De Gregori, er hätte sicher «Viva Italia» auf seiner Liste gehabt, wir hätten laut mitgesungen. Jetzt besonders. Für Italien und für das Tessin.


Ein Abend mit Büne Huber, im Bierhübeli in Bern, diesem wunderbaren Lokal, er wäre zwar noch möglich gewesen, es war wenige Tage bevor nichts mehr möglich war, ich zögerte lange, man hätte sich beim Eingang registrieren müssen, die Angst vor dem Virus war gross - meine auch, zusammen mit vielen Leuten Zug fahren, mit vielen Leuten und eng beieinander im Konzert sein.
Ein Abend auf der Schützenwiese, sie hätten Bier getrunken, ich sicher ein Glas Wein gefunden.
Oh, eben per Facebook daran erinnert: Am 1. Juli im Kaufleuten in Zürich das Konzert von Element of Crime. «Du hast zugesagt», steht geschrieben. Aber jetzt: Abgesagt, verschoben auf Juni 2021. Ich höre die Lieder von Sven Regener in diesen Zeiten oft: «Am Ende ich immer nur an dich.» Oder: «In mondlosen Nächten».

Oder auch, erst im Oktober zwar, doch Konzerte im Hallenstadion sind auch dann kaum denkbar: Elton John, sein letzter Auftritt, seine Farewell Yellow Brick Road Tour, er muss später Abschied nehmen.

Der Freitag auf der Schützenwiese in Winterthur, Fussballspiele wurden schon früh, Ende Februar, abgesagt; er war mit Freunden schon lange geplant, Winterthur gegen GC. Endlich wollten wir zusammen gehen, mit Thomy, Beni, Peter, sie hätten Bier getrunken, weil man auf der Schützi Bier trinkt (oder die Kinder Sirup), ich hätte sicher ein Glas Wein gefunden.

Andere Abende mit Fussball, München war geplant, Viertelfinals in der Champions League, Bayern vielleicht gegen Barcelona oder Real Madrid oder Juventus, unwichtig eigentlich der Gegner, wichtig die packende Ambiance in der Allianz Arena, ich hatte eine Einladung. Oder, ständig im April, diesem Fussballmonat, einfach vor dem Fernseher sitzen, fiebern, vielleicht bangen (manchmal, nicht mit allen), zittern, geniessen oder auch nicht.

Oder ein Abend mit Regula Esposito als Helga Schneider, ihr neues Programm, Lachen mit ihr tut so gut.

Vorläufig keine Hopper-Bilder mehr: Riehen, im April 2020

Ein Tag in Riehen, Besuch der Fondation Beyeler mit den wundervollen Bilder von Edward Hopper, die Tickets online reserviert. Jetzt gibt es unter dem Online-Button der Website digitale Führungen zu vielen Aspekten Hoppers. Seine Bilder der Einsamkeit haben eine noch grössere Bedeutung in diesen einsamen Zeiten.

Und Kino. Viele Filme. Es waren noch einige auf der Liste. Und vielleicht wäre der Dok-Film «Marianne&Leonard» auch endlich einmal in Zürich gezeigt worden, die Liebesgeschichte zwischen Leonard Cohen und Mariannne Ihlen in den Sechzigern auf der Insel Hydra.

Ein Abend mit Peter Bichsel, eine Lesung in der Buchhandlung Hirslanden, es ist schön, dem näselnden Poeten des Wortes und Erzähler zuzuhören.


Es wäre schön gewesen.

Kommentare

  1. Tja, eine wirklich spezielle Zeit...

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  2. Vorausschauendes Nachtrauern. Ja: Winti vs. GCZ wäre natürlich eine Affiche gewesen. Arbeit vs. Kapital. Fredy: nie habe ich aus Küsnacht eine charmantere Absage an das Trinken von Bier gelesen: "sie hätten Bier getrunken, weil man auf der Schützi Bier trinkt (oder die Kinder Sirup), ich hätte sicher ein Glas Wein gefunden." - Prost auf ein gut gekühltes Haldengut!

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