In diesen Zeiten – XIII. bis XV.

Traurig schön, schön traurig: Patent Ochsner.

XIII.
Horst Seehofer, der deutsche Innenminister, sagt, wenn «wir nicht handeln, dann ist es möglich, dass es Millionen Tote gibt». Er hat seine Mitarbeiter aufgefordert, Szenarien durchzuspielen, auch solche, die man nicht gerne höre, mit denen man sich aber beschäftigen müsse. Das Netzwerk «Impfentscheid», ein Schweizer Verein von Impfkritikern, schreibt, alles sei nur «ein Hype», eine «eigentlich harmlose aufgebauschte Problematik», der Bundesrat müsse seine Corona-Massnahmen aufheben.Am gleichen Tag, am letzten Tag im März, sind in Italien wieder 837 Menschen gestorben, 12'428 sind es inzwischen, es sind dramatische Bilder aus dem Lombardei.
XIV.
Beim Laufen im Park treffe ich auf einen Bekannten. «Gut, dass es jetzt wärmer wird, dann ist diese Grippe vorbei», sagt er. - «Nur eine Grippe?», entgegne ich: «Und das mit den wärmeren Temperaturen und dem Virus, das damit verschwindet, ist doch widerlegt.» - «Ach», sagt der Bekannte: «Da steckt doch nur die Pharmaindustrie dahinter.» - Ich schweige, sage dann: «Du mit deinen Verschwörungstheorien.» - Er lacht nur: «Die Medien bauschen alles auf.» - Ich ertrage sein Lachen nicht, laufe weiter.
In den Abendnachrichten an diesem Tag, es ist der 2. April, heisst es, dass Weisse Haus in Washington rechne inzwischen mit einhundert bis zweihunderttausend Toten.
Aber die Amerikaner fürchten nicht nur die Grippe, sondern auch ihre eigenen Landsleute: Über zwei Millionen Schusswaffen wurden um März verkauft, 85 Prozent mehr als im Vorjahr.
XV.
Im Radio SRF3 spielt Moderator Reeto von Gunten an Sonntagen immer um viertel vor elf das Lied von Patent Ochsner, «Für immer uf Di», ein trauriger-schöner Text von Büne Huber im Gedenken an seine verstorbene Mutter. Wenn er auf der Bühne stehe – stand, in den Konzerten vor Ausbruch der Epidemie –, dann habe er stets Tränen in den Augen, er hielt gegen Ende des Liedes immer ein Glas Rotwein in der Hand. Statt «Immer uf Di» singen sie jetzt am Radio jeden Sonntag «Für immer uf üs». Von Gunten sagt: «Bismer’s hingeris hei.»"Es war der Moment, wie es sich später herausstellte, wo sich die Schleusen öffneten und etwas wirklich Neues in Bewegung kommen konnte."
Büne Huber hat ein SMS geschrieben. Er hänge auf seinem Balkon, lausche dem Vogelgezwitscher und schaue den Knirpsen beim Spielen zu, die Bise gehe und die Sonne wärme seine Wampe. "Mir fällt auf", schreibt er, "dass ich dieses Gefühl des 'absolut-nichts-tun-zu-müssen', diesen vollumfänglichen Lockdown, vor sechs Jahren letztmals hatte. Und es war, wie es sich später herausstellte, der Moment, wo sich die Schleusen öffneten und etwas wirklich Neues in Bewegung kommen konnte."
Vor einigen Tagen habe er mit einem Schlag erfasst, "dass neben dem Shaisdreck und den bösen Folgen, die dieses Virus mit sich bringt und noch bringen wird, es uns im Moment aber auch einen tiefen inneren Frieden in unsere momentan noch seuchenfreie Hütte trägt."
Ein Tor gehe auf, ein anderes zu, heisst es im Lied "Für immer uf di". Ein Glas auf die Liebe und eines auf das volle Leben und auch eines auf das, was wir nicht halten können.
Feedy und Büne sprechen mir Auden Herzen. Jede Krise hat auch was Gutes... hoffe wir können bald wieder an ein Konzert. Danke für den schönen Text
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