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Es werden Posts vom Juni, 2020 angezeigt.

Fliegen mit Bob im Ohr

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Biken und sich frei fühlen: Juni 2020, Küsnachter Tobel. Ich fliege. So fühle ich. Oder nicht ganz. Manchmal muss man alt oder zumindest älter werden, um Neues zu entdecken. Ich schwebe. Auch nicht ganz. Aber irgendwie schon. Über Steine, über Kies, über Asphalt, über Sträucher, über Wurzeln, über Sand – über Wege, schmale, breitere, sehr schmale manchmal. Es ist früh am Morgen, ich wusste gar nicht, dass man so früh am Morgen solches empfinden kann, ich sass sonst früh am Morgen oder wenigstens irgendwann am Morgen meistens in einem Café, Tagi, NZZ, anderes oder den Laptop vor mir oder habe mir einfach Gedanken gemacht, die vielleicht zu einem Text führten. Ein «Meisterwerk» schreibt die «NZZ» über das 39. Album von Bob Dylan. Jetzt aber kommen keine Gedanken oder ganz andere, ich fliege, ich schwebe, zwischendurch schwitze* ich, und im Ohr Bob Dylan. Sein neues Album, sein 39. schon, 71 Minuten lang, 10 Songs, «ein Meisterwerk» schreibt die NZZ über den Altmeister, 79 ist er, und er

Da war doch diese Ahnung

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Grigor Dimitrov, positiv getestet und d0ch positiv gestimmt. Da war diese Ahnung, vor einigen Tagen  habe ich darüber geschrieben, diese Adria-Tour, die Nähe der Zuschauer rund um den Tennisplatz, die einem verdächtig vorkam. Nicht, dass man nicht gehofft hätte, nicht, dass man jetzt nicht hoffen würde, dass die Sache überschaubar bleibt. Aber eben, es bleibt ein ungutes Gefühl, wenn man diesen  Artikel im Tagi liest.

Fussball reden

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Eigentlich waren alle Bälle tückisch: Damals, an einem Freitagabend.  Die Bilder erinnern an früher. Sie wecken Bilder im Kopf, wie es war damals – und es heute sicher noch ist –; damals, als wir selber ein Teil des Spiels waren, und deshalb wird man wehmütig und denkt zurück. Man möchte, dass es nochmals so sein könnte, wie es war. Damals. Und wir mittendrin. Im Spiel. Damals. Auf Fussballplätzen irgendwo auf dem Land oder in einem Quartier, es war manchmal mehr ein Acker als ein Rasen, Freitagabend meistens, ein paar hohe Lichtmasten rundherum, mehr Masten als Licht, und je später der Abend, desto dunkler wurde es. Aber wir spielten. Leidenschaftlich. Es ging um viel – und nichts. Ich stand ganz hinten, im Tor, ich rief – «rächts, meh rächts, nei links, deck' ihn änger, he!!, rächts, rächts, pass' uf, da chunnt no eine, he!! he!!» –, ich rief viel und sah viel, da hinten im Tor sieht man das Spiel und den Ball, und man sieht auch Gefahren, die wohl keine sind, es schien

Djokovic und Hygiene. Und überhaupt.

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Novak Djokovic spielt, 4000 im Stadion: Belgrad, Juni 2020. Es gibt Bilder in den Medien, wie Novak Djokovic in Belgrad zusammen mit Freunden Tennis spielt, einige Tausend im Stadion schauen zu, eng zusammen sitzend, es gibt auch Bilder wie die Spieler nachher in einem Club ausgelassen singen und tanzen, mit nacktem Oberkörper schwitzend, ein DJ spielt, auch «Bella Ciao». Das US-Open in New York soll, die neuste Meldung, im Spätsommer stattfinden, ohne Zuschauer, die Spieler müssen alle zusammen in einem Hotel in der Nähe des Flughafens isoliert werden. Djokovic hält die geplanten Hygienenmassnahmen für nicht zumutbar. Ich sehe in der Halle des Hauptbahnhofs viele Menschen, ziemlich dicht gedrängt, einige eilen, andere schlendern, Arm in Arm, es ist Freitagabend, wenige tragen einen Mundschutz. Vor-Partystimmung. Was kann und darf man in diesen Tagen? Oder was soll man? Oder soll man eher nicht? Ich sehe, es ist der gleiche Abend, eine junge Frau, die beim Heimplatz in Zürich

Pippo und ein Zuschauer

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Der Cantautore Pippo Pollina in seinem neuen Tonstudio:  Zürich-Seefeld, 2020. Welches war das schönste Konzert? war die Frage gewesen. Pippo Pollina, der Musikpoet aus Palermo, der schon lange in Zürich lebt, hat schon einige tausend Konzerte gegeben. Wir sitzen beim Frühstück in seiner Wohnung im Seefeld, wir haben über vieles geredet, über Fussball, wie er damals im Sommer von Italia‘90 zusammen mit Kollegen zum Haus von der Familie Schillaci gelaufen ist und der Vater von Totò auf dem Balkon stolz gewunken hat, wie ein Papst; über seine Begegnung mit dem Sprinter Pietro Mennea, dem «Freccia del Sud», weil dieser so schnell wie ein Pfeil gerannt ist, auch Olympiasieger wurde, er hatte ihm ein Lied gewidmet, «Io, lei e Pietro». Und eben die Frage nach dem schönsten Konzert. Er erzählt von einem, anfangs 1991, der Golfkrieg eben ausgebrochen, die Menschen waren sehr verunsichert. Pippo Pollina fuhr mit seinem klapprigen roten Opel Kombi erst durch Frankreich, dann durch Deutschlan

Man öffnete mir den Raum

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Plötzlich ist man selber in der Zeitung: Als Interviewter, nicht als Interviewer. Ach, der Fussball muss es einmal mehr richten: Wenn ein Interview wie ein Spiel ist, dann ist die Frage wie ein Pass, ein guter Pass ist einer, der die Räume öffnet. Es gibt im Leben eines Journalisten diese Momente, in denen man sich fragt: Was mach ich da eigentlich? Und was denken wohl die anderen, was ich da mache? Diese Momente finden sich auffallend oft während Interviews, man fragt und fragt und weiss nicht recht, ob das jetzt gute Fragen sind, ob sie dem Gegenüber wirklich die Gelegenheit für eine gute, kluge, überraschende Antwort geben. Ob sie die Räume öffnen, in denen etwas entstehen kann, Räume für ein Gespräch, statt eines Abfragens. Was ging wohl Nicola Ryser durch den Kopf, als er mir seine Fragen gestellt hat? Danke für das Interview, es war ungewohnt aber angenehm, der Interviewte zu sein. Antworten statt fragen, für einmal. Ein Passspiel. Danke für den Raum, die Räume! Was ich

Totò, 30 Jahre danach

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Totò Schillaci, die Sternschnuppe in einem italienischen Sommer: WM 199 0. Es war im Sommer 1990, Folge 2 meiner täglichen Kolumne im «Tages-Anzeiger» zur Fussball-WM in Italien, «Famiglia Galli» hiess sie, es war  eine Familiengeschichte.  Italien hatte zum ersten Mal gespielt und 1:0  gewonnen gegen Österreich.  «Totò!»,  schrieb ich damals. «Weshalb rufst du ihn Totò, unser Sohn heisst doch Fabio», sagt Mutter Alice. «Ja, natürlich, scusa, aber was meinst du, mia cara, wir könnten ihm doch Totò als Übernamen geben, das wäre doch schön, findest du nicht?» «Aber jetzt reicht es. Die Nummer 19 musste ich ihm heute morgen früh schon auf sein neues Maglia nähen, die Sonntagskleider durfte er nicht anziehen, sondern er musste unbedingt in diesem blauen Maglia und eben mit der 19 auf dem Rücken mit uns in die Messe kommen. Und du auch, Salvatore! Das sieht doch lächerlich aus, du mit diesem blauen Schal um den Hals, selbst jetzt zuhause.» «Aber Mamma», mischt sich jetzt auc

Hupen nach dem letzten Satz

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Axel Hacke liest, und im Auto kann man zuhören: Kassel, Mai 2020. Es war ein Hupkonzert, so, wie es zu hören ist in einer Stadt nach einem gewonnenen WM-Spiel. Sie hupten lange, und sie sassen glücklich in ihren parkierten Autos, sie hatten vorher andächtig zugehört und auch auf einen grossen Bildschirm geschaut. Es war eine Lesung gewesen. Eine Auto-Lesung. Axel Hacke, der deutsche Autor und Kolumnist, hatte dies kürzlich in Kassel zum ersten Mal gemacht. Er sass in einem kleinen Zelt, es regnete auf das Dach, er hatte ein Mikrofon vor sich und eine Kamera war auf ihn gerichtet. So erzählte und las er, einige seiner über tausend Kolumnen, die er geschrieben hat, und aus seinen Büchern, «Wozu wir da sind» war das letzte, und er war da, weil in diesen Zeiten auch Autoren gezwungen werden, neue Auto-Wege zu gehen.  Er sagt, es sei schon etwas gewohnheitsbedürftig gewesen, einfach so alleine da zu sitzen, ohne Kontakt zum Publikum, und nicht zu hören, wie vielleicht geraunt, gelacht