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Meine Mamma, mis Mami

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Ein Text bei der Abdankung in der reformierten Kirche Küsnacht. Mamma, als kleines Kind habe ich dich Mami gerufen, aber später wurdest du meine Mamma – Mamma, ich habe so vieles im Kopf, wenn ich jetzt an dich denke. Mami, weisst du noch, unsere Reisen ins Tessin, im Sommer fuhren wir immer ins Tessin in die Ferien; 1950, bei eurer Hochzeitsreise, warst du zum ersten Mal dort gewesen, und es gibt in den vielen Fotobüchern wunderschöne Bilder davon. Diesen Blog-Beitrag auch hören! Und wir fuhren immer an den Lago Maggiore, den du, den wir so liebten, immer auf die Gambarogno-Seite, gegenüber Locarno und Ascona. Unsere Orte waren Gerra, Vira, Ranzo, San Nazzaro, Magadino, Orgnana. Immer um fünf Uhr morgens fuhren wir in Küsnacht los, es war noch dunkel, und wir haben alle Pässe kennengelernt, die irgendwie und irgendwo ins Tessin führen, den Gotthard natürlich, San Bernardino – i...

Mann und Frau

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Diesen Blog-Beitrag auch hören! Das ist eine «Espresso»-Kolumne vor fast genau sieben Jahren. Wie jetzt hatten in ganz Europa die Fussball-Meisterschaften wieder begonnen. Und es war ein Gespräch zwischen einem Mann und einer Frau, zufällig mitgehört in einem Bistro im Zürcher Seefeld. Zwei Abschnitte dieser Kolumne habe ich aktualisiert. Mann und Frau Sie fragt, hast du es gesehen? Er fragt, was soll ich gesehen haben? Sie streckt ihm eine Ausgabe des «Spiegels» entgegen und sagt: Lies diesen Text. Er nimmt das Magazin und sagt nichts. Beginnt zu lesen. Und sie schaut ihn an, während er liest, und er liest lange und legt das Magazin dann wieder auf den Tisch. Und sagt weiter nichts. Und sie fragt: Und? Und er sagt ja, ja. Bruno und Luca, der Werber und der Architekt, sitzen am Nebentisch, stumm, sie blättern in ihren Zeitungen, einer die NZZ, der andere der Tagi, wie immer bei ihren morgendlichen Treffen im Bistro, aber sie lesen diesmal nicht, sondern hören mit, was die beiden mitein...

Weite Reisen

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Diesen Blog-Beitrag auch hören!   Ich hatte das Buch an diesem Tag gekauft und gleich mit dem Lesen begonnen. Ich sass am See auf einem Stein, es war ein Tag mit viel Wind und recht hohen Wellen, und auf der ersten Seite des Buches ist genau eine solche Stimmung beschrieben, mit einem kräftigen Wind, der Ich-Erzähler schliesst die Augen und der See hätte sich wie das Meer angehört. «Die Welt» heisst das Buch, das neue von Arno Camenisch, 44, den ich ein wenig kenne, und ich liebte die bisherigen zwölf Bücher des Bündner Autors, seine Sprache, seine Melancholie, seine Gedanken und Geschichten mit Menschen aus der Surselva und dem Dorf Tavanasa, wo er herkommt, jedes dünne Buch mit einem schlichten Umschlag und immer in einer anderen Farbe. Und jetzt ein neues, ein ganz anderes, neu im Diogenes-Verlag, und ich las die ersten Kritiken in Zeitungen, und sie waren ziemlich böse, der grosse Sprachkünstler trete als Schwafler auf, schrieb Martin Ebel im «Tages-Anzeiger». Es tat etwas weh,...

Beben mit Campino

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Beben mit Campino Die Piazza in Locarno bebte. Die Luft war heiss und feucht, abends um zehn noch 29 Grad, aber auch sonst war es heiss. Es wurde getanzt, gehüpft, gegrölt, gesungen, geraucht und getrunken, und natürlich war es in den zwei Stunden auch eines der 30 Lieder, an Tagen wie diesen, und man  wünscht sich die Unendlichkeit. Sie hätten auch um Mitternacht noch getanzt, gehüpft, gegrölt, gesungen, geraucht und getrunken. Auf der Bühne rannte und rannte und bebte Campino mit seinen Toten Hosen, 60 ist er, 40 die Band. Er weiss vom ersten Akkord an, was das Publikum erwartet, seine Gesten, seine Mimik, seine Worte zwischendurch, alles passt, tausendmal gespielt, und man kann nur staunen, über diesen Power, diese Ausdauer, diese Präsenz, diese Energie von einem, der ja bald ins Rentneralter kommt. Er schwitzte, wir schwitzten auf der Piazza Grande. Das sind die Impressionen: « Mach das Flutlicht an sie kommen gleich raus und dann kann die Show beginnen Und sie sind nicht allei...

Pessimistisch sein

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Diesen Blog-Beitrag auch hören! Das ist eine «Espresso»-Kolumne aus dem Jahr 2015. Sie handelt davon, dass es vielleicht besser ist, manchmal pessimistisch zu sein. Und der Rat ging an die GC-Fussballer, damals noch nicht in chinesischen Händen, aber schon damals ständig in turbulenten Phasen. Pierluigi Tami wurde als neuer Trainer vorgestellt, nach ihm und bis heute haben die Grasshoppers elfmal den Trainer gewechselt, sind zwischendurch gar abgestiegen. Mit Tami wurden sie aber Vierte, seither waren sie nie mehr so gut, Dabbur war in dieser Saison der beste Torschütze der Meisterschaft. Und vielleicht sollte deshalb Sky Sun, der GC-Präsident aus China, diesmal sagen: «Ich bin pessimistisch.» An diesem Sonntag beginnt auch für GC die Meisterschaft, mit dem Spiel gegen Lugano. Pessimistisch sein Luca, der Architekt, hat sich frühzeitig für den morgendlichen Espresso mit seinem Freund Bruno entschuldigt, er werde an diesem Montag alle Termine absagen, wegen nächtlicher Beanspruchung, wi...

Freiheit

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Diesen Blog-Beitrag auch hören! Ein Flugzeug am Himmel, der nur blau ist. Ich schaue ihm nach. Wie früher, als kleines Kind, damals war es mit Sehnsucht verbunden, mit Neugier und Fragen: Wie ist sie, die Welt dort, wo das Flugzeug vielleicht hinfliegt, eine Welt weit weg und unbekannt, wie leben die Menschen dort, was machen sie? A ls Kind flogen wir nie, unsere Ferien im Sommer verbrachten wir immer im Tessin, und als ich zum ersten Mal in einen Flieger steigen durfte, es war auf die Kanarischen Inseln, war ich 21 oder 22. Erst viel später wurde Fliegen zum Alltag, beruflich und auch sonst, schnell irgendwohin, manchmal auch nur von Lugano zurück nach Kloten, spätabends nach einem Spiel, weil es billiger war und schneller sowieso. Und jetzt der Blick nach oben, zum Himmel, der nur blau ist, blau und keine einzige Wolke, nur die schwachen Kondensstreifen, die das Flugzeug hinterlässt, in den News melden sie, es soll bald 35 oder 40, vielleicht gar noch paar Grad heisser werden. Dieses...