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Es werden Posts vom September, 2025 angezeigt.

Hornby an der Cala Santanyi

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Blog-Nr. 429 «Won, won»  – Ballfieber auf der Insel* Der Kellnerin fiel beinahe das Glas Rotwein aus der Hand, und sie wäre gestürzt. Am Nebentisch schrien sie entsetzt auf und verstanden die Welt nicht mehr. Und es hätte wenig gebraucht, und einer hätte nach der Policia gerufen. Es war Aufregung pur an diesem Sonntagabend kurz nach halb acht im «Hostal Playa» an der Cala Santanyi im Südosten der Insel Mallorca, einem Restaurant gleich neben dem Sandstrand. Einer war aufgestanden, was heisst aufgestanden? Wie von einem Seeigel gestochen, sprang er von seinem Stuhl hoch, er breitete die Arme aus, rannte los, als würde er gleich abheben, alle im Lokal schauten jetzt zu ihm, er rannte so durch die ganze Terrasse, schreiend, nur schreiend, als hätte er im Lotto eben eine Million gewonnen; er strahlte, jubelte, und nachdem er die hinterste Ecke des Lokals erreicht hatte, kam er zurück – jetzt ganz zahm, er entschuldige sich erst bei der Kellnerin, lächelte sie mit dem schönsten und kin...

Kitsch

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Blog-Nr. 428 Es ist Kitsch, ich weiss, Kitsch in rot oder rötlich oder rosa, ja, ja, ja! Tausendmal gemacht und erlebt, fotografiert auf der ganzen Welt. Man mag es nicht mehr sehen. Denkt man.  Alle tun es. Und ich will es doch immer wieder. Auch heute, an diesem Sommerabend im Herbst, Ende September. Zum vielleicht 1000. Mal, immer wieder irgendwo auf der Welt fotografiert, am meisten bei mir zu Hause in Küsnacht, in der Badi Kusen, mit dem Blick auf den Uetliberg oder die Stadt Zürich. Diesmal auf Mallorca, meiner Insel.  Alle Bars auf dieser Welt müssten so heissen Im Dorf Ses Covetes im Südosten, beim sandigen Strand Es Trenc am Meer. Habe die Bar «Esperanza» – welch ein Name, alle Bars dieser Welt sollten so heissen – nach dem zweiten Negroni und einem schönen Gespräch mit Freunden, zufällig getroffen, vorher nicht gekannt, fast zu spät verlassen, bin losgerannt, den kurzen Weg runter zum Meer, fast gestolpert mit den Flip-Flops. Dieser Himmel! Dieses Licht! Diese Farb...

Besseres Leben

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Blog-Nr. 427 Ein Buchtipp – über  99 Menschen von Ulrike Gastmann Facebook sei ihr Studio für Heim, Wald und Wiese, sagt sie. Und auf der Plattform, auf der manchmal viel Kurzes und auch Belangloses steht, schreibt Ulrike Gastmann immer wieder, eigentlich sehr oft, lange und schöne Texte, irgendwelche Gedanken, was sie erlebt, beobachtet oder gefühlt hat. Auch ganz aktuell, wie diese Woche nach dem Tod der italienischen Schauspielerin Claudia Cardinale . Gastmann begann so: «Sehr bewunderte und verehrte Signora Cardinale. Gestern sahen wir Sie wieder einmal aussteigen. Diesmal nicht im staubigen Sweetwater, im Italo-Western, sondern bedauerlicherweise aus der Geschichte selbst. Und irgendwie weiss man auch nachrufend wie immer nicht, wovon man bei Ihnen zuerst anfangen soll zu schwärmen, von Ihrer Schönheit, ihrem Stil, Ihrem Blick, Ihrer Stimme …?» Und der Text endete damit: «Und jetzt, nach 87 Jahren, prall gefüllt mit Leben und Wildheit, ist der Vorhang gefallen. Und das Publik...

100 Jahre Letzigrund

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Blog-Nr. 426 Geschichten zu einem Jubiläum Ein Bild ist im Kopf, es war vor sehr langer Zeit, ich war noch ein Kind. Ich kann das Foto aber vorerst nicht finden, in einem Buch müsste es sein, früher klebte man die Fotos noch mit vier kleinen durchsichtigen Ecken in Alben, und es hatte Folien zwischen den Seiten, damit die Erinnerungen sauber blieben. Das Buch lag im Keller, rot auf der Rückseite des Umschlages, und andere Alben hatten die Farbe blau und schwarz. Ich hatte mit Schülerschrift zum Foto geschrieben, aufgenommen mit einer kleinen Instamatic-Kamera, die ich wohl zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte: «Ein Dokument! Penalty! in der 57. Min. Fritz Künzli lässt Marcel Kunz keine Chance 2:2!» Das Jahr, als dieses Spiel stattfand, stand nicht dazu, es muss Mitte der Sechzigern des letzten Jahrhunderts gewesen sein. Und ich weiss noch genau: Es war das erste grosse Spiel, das ich besuchen durfte, vorher war meine Fussballwelt der Heslibach in meinem Dorf Küsnacht. So sah der Let...

Das Buch des Stoikers

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Blog-Nr. 425 Ein Buch aus dem Innenleben im  Gefängnis Wie er nachts durch die Gefängnismauern immer wieder Schreie hörte, als würde sich jemand in der schimmeligen und kalten Zelle nebenan umbringen. Wie er mit Mördern, Drogenhändlern, Pädophilen und Vergewaltigern unter einem Dach lebte. Wie er bald anderen Insassen Mathe- und Englisch-Unterricht gab. Wie er das Gefühl bekam, an einem trostlosen Ort ein wenig Optimismus zu verbreiten. Wie das Gym, wo er teilweise arbeiten durfte, für ihn zum Ort der Freiheit wurde. Wie er einen Stoizismus-Kurs belegte. Und später selber als Hilfslehrer Kurse leitete. Wie er mit einem albanischen Drogenhändler, der zwei Kontrahenten umbrachte, immer wieder Schach spielte. Wie polnische Häftlinge ihm den Hitler-Gruss zeigten. Wie er den Wimbledon-Final 2022 in seiner Zelle verfolgte und am Ende, als Djokovic gewann, heulen musste. Wie er nach einer Pokerrunde mit Häftlingen aus Rumänien 500 Pfund Schulden hatte und diese ihm eins über die Nase gebe...

Zettel von Franz Beckenbauer

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Blog-Nr. 424 Gilbert Gress im Dress des VfB Stuttgart «Völlig gaga», sagte Uli Hoeness in dieser Woche in seiner Rede, als er von der Deutschen Fussball-Liga mit dem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Völlig gaga sei das, was in diesem Sommer auf dem Markt für Fussballspieler wieder passierte, mit wahnsinnigen Summen, die bezahlt werden, grosser Hektik überall, weil sich Transfers  erst im allerletzten Moment abwickelten, Berater am Deadline Day noch Stunden vor Abschluss abends um acht wild telefonierten, Spieler wie Manuel Akanji im letzten Moment erfuhren, dass Mailand und nicht vielleicht Istanbul oder eine andere Stadt der neue Arbeitsort sein soll. Es gab eine andere Zeit. Als Transfergespräche anders abliefern. Franz Beckenbauer während eines Spiels einen Zettel hätte übergeben sollen, auf dem der Ort des Treffens für ein Gespräch gestanden wäre. Und dieses dann auch in einem Wald stattfand. Das ist die Geschichte dazu. Sie handelt von Gilbert Gress , der damals ...