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Es werden Posts vom September, 2022 angezeigt.

Boote und Kommas

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Manchmal kommt eine Idee, und man weiss nicht, wohin sie führt, und wenn ich das schreibe, kommt mir Martin Suter in den Sinn, der kürzlich, bei einem Interview zur Premiere des Filmes mit ihm und über ihn, gesagt hat: Er müsse immer den Anfang und den Schluss eines Textes wissen, es gäbe keinen ersten Satz, ohne den letzten im Kopf zu haben.   Diesen Blog-Beitrag auch hören! Ich habe weder einen ersten und schon gar nicht den letzten Satz im Kopf. Aber, nochmals Suter, er erwarte schon, wenn er sich an den Laptop setze, dass am Abend auf dem am Morgen leeren Bildschirm etwas stehe, «und ich habe noch nie erlebt, dass nichts steht, aber ich habe schon oft erlebt, dass es nicht so gut war, wie ich es wollte.» Vielleicht wird es ja so. Die Inspiration hole ich mir bei Mani Matter, dem Berner Liedermacher und Autor, und in einem Buch von ihm, «Sudelhefte-Rumpelbuch» heisst es, mit Tagebuchnotizen, Geschichten und Gedichten, und 1959 hat er geschrieben, es ist das Kapitel 20 seines Tagebuc

Missverständnis

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Am Ende blieb nur diese Erkenntnis: Es war ein Missverständnis. Wie das immer wieder vorkommt in Beziehungen. Einer hat sich oder beide haben sich geirrt. Etwas anderes gesehen. Damals, bei der ersten Begegnung. Oder nicht richtig hingesehen. Blind gewesen. Nur das eine gesehen, sehen wollen. Verliebt gewesen in den Augenblick, in die schönen Augen, die warme Stimme, das Lächeln oder was auch immer. Das ist so im Leben. Meistens geht es dort, im richtigen Leben, zwischen Menschen, etwas länger, und die Einsicht kommt später, vielleicht zu spät, und man findet sich damit ab, irgendwie. Diesen Blog-Beitrag auch hören! Im Fussball geht es oft schneller, manchmal sehr schnell. Oder es muss schnell gehen, um nicht alles noch schlimmer zu machen. Doch auch dann muss man sich fragen: Wie konnte man sich so irren, etwa so falsch einschätzen? So blind sein? Nur einen Namen sehen, seine Geschichte und die Vergangenheit im Job, dabei hatte es doch schon dort ein paar Momente und Stationen, die he

Nie mehr

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Nie mehr denken, nicht mehr hinsehen zu können. Und doch hingesehen. Nie mehr morgens um Zwei oder Vier aufstehen. Freiwillig. Nie mehr an einem Sonntagnachmittag drinnen vor dem TV sitzen, wenn es draussen 35 Grad ist. Wahrscheinlich. Nie mehr Laute von sich geben, die einem sonst fremd sind. Nie mehr 4 Stunden lang auf ein Handy sehen und eigentlich nichts sehen, weil dieser Filzball viel zu klein ist. Nie mehr ein Date absagen, weil er spielt. Oder sagen, es wird eine halbe Stunde später. Und nach einer halben Stunde noch eine halbe Stunde. Und noch eine. Das Date fand nie statt. Nie mehr auf den Balkon  rennen, weil man nicht mehr hinsehen kann. Aber wenigstens hören. Bis der am TV schreit. Und dann wieder hingesehen. Und wieder auf den Balkon gerannt. Nie mehr wird es so sein. Seit Donnerstag wissen wir es. Wir haben es schon lange geahnt. Und wollten es nicht glauben. Eigentlich auch jetzt nicht. Grossartige Karikatur von Felix Schaad im Tagi   Fredy Wettsteins Blog «Wieder im Au

Warmspielen

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Das Cello spielte. Die Trompete. Auch die Gitarre. Und die Flöte und Klarinette. Das Fagott. Die Posaune und Violine. Und noch mehr Instrumente. Alle spielten. Ihre eigenen Töne, quer durcheinander, jeder Musiker und jede Musikerin für sich. Einspielen nennt man es. Und das Bild bei Fussballklubs kommt mir in den Sinn. Jeweils vor den Trainings. Wenn jeder (und jede) irgendetwas für sich macht. Mit einem Ball jongliert oder einfach mit dem Ball am Fuss auf dem Rasen herumrennt, ihn manchmal hochhebt, mit Kopf oder Schulter oder sonst einem Körperteil streichelt. Von Diego Maradona gibt es dieses wunderbare Video auf Youtube , wie er im Münchner Olympiastadion vor einem Europacupspiel minutenlang, aus den Lautsprechern tönt der Song «Live is Life», mit den offenen Schuhbändeln zirkusreif tanzt, immer lächelt, nie fliegt der Ball auf den Boden. Warmlaufen nennt man das. Einspielen und warmlaufen. Mit den Instrumenten und dem Ball.  Diesen Blog-Beitrag auch hören! Ich durfte im wunderba

Fremde Heimat

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Es war ein Abend mit Büne Huber im Zürcher Bernhard-Theater, er wurde von NZZ-Redaktor Peer Teuwsen interviewt, und zwischendurch setzte sich der Berner Sängerpoet ans Klavier und spielte solo einige Lieder, schöne und intime Momente waren es, und Büne Huber verriet auch, dass er daran sei, Lieder für ein neues Album zu schreiben, die Musik fehle noch, die Texte aber habe er im Kopf, ungefähr wenigstens. Und er erzählte auf der Bühne, er gab sich entspannt, was für eine Stimmung dieses neue Album haben soll, welche Geschichten; er sagte, ein Konzert, eine Stadt, eine Bühne, eine Strasse, ein Haus, ein Zimmer, und so weiter, er erzählte noch mehr, alles sei nicht verraten, aber in diesem Moment ging ein Gedanke durch meinen Kopf. Diesen Blog-Beitrag auch hören! Ich war vorher zwei Tage in Berlin gewesen. Eigentlich wollte ich anfangs August wegen den Rolling Stones dorthin, es klappte nicht, es blieb der Flug, und ich suchte einen neuen Grund, nach Berlin zu gehen, es gab das Spiel 1.

Eisern mit dem Buddha

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Schon dieser Name: An der Alten Försterei. Der Weg dorthin zum Stadion, im Osten Berlins im Ortsteil Köpenick, führt über einen Kiesweg durch einen Wald. Führt zu einem Forsthaus, das jetzt die Geschäftsstelle ist. Jene des 1. FC Union Berlin. Sie werden die «Eisernen» genannt. Oder die «Schlosserjungs», in Anlehnung an die proletarischen Wurzeln des Vereins. Vor dem Spiel wird immer die Vereinshymne gesungen von Nina Hagen, der Punksängerin, 67 ist sie heute, schon als Kind war sie mit ihrer Mutter im Stadion gewesen. Und es heisst im Lied: «Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen? Eisern Union. Eisern Union.»    Diesen Blog-Beitrag auch hören! 22'012, mehr haben nicht Platz im über 100-jährigen Stadion, singen laut mit, nur 3617 können sitzen, auf der Haupttribüne, 18'395 stehen auf den anderen drei Seiten, sie hüpfen und singen und johlen und stampfen und schwenken ihre rot-weissen Schals und nehmen auch immer wieder ihren Schlüsselbund hervor und scheppern damit, die Eise

Zurück auf die Insel

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Es sind nur noch einige wenige Zeilen, die in allen Zeitungen stehen, unter Kurznachrichten, versteckt in einer Ecke: Guillaume Hoarau hört auf. Es ist schon lange still geworden um ihn, einen der besten Fussballer, die in der Schweiz je gespielt haben; still eigentlich von jenem Moment an, als sie in Bern bei den Young Boys im Sommer vor zwei Jahren sagten, es gäbe keinen neuen Vertrag mehr. Viele verstanden das damals nicht, ich auch nicht – Hoarau und YB, Hoarau und Bern, Hoarau und der Fussball in dieser Stadt, Hoarau und die Kulturszene, vor allem die Musik dort, die gehören doch zusammen, er war der «Saint Gui», der heilige Gui, und das durfte nicht enden, nicht so, wir wollten unvernünftig sein, die Bilder von Gestern vor Augen und nicht an das Morgen denkend, wie es die Klubverantwortlichen tun mussten, vernünftigerweise. Diesen Blog-Beitrag auch hören! «They kicked me out», schrieb er damals in einem SMS Büne Huber, seinem Freund von Patent Ochsner, «I am too old». 36 war er