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Es werden Posts vom Juli, 2020 angezeigt.

Hoarau – bitte nicht, YB!

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Guillaume Hoarau, der Fussballer, der auch wunderbar singt. Hören Sie dieses Lied. Sie werden es schwer verstehen. Es ist auf kreolisch, der Landessprache von La Réunion, der Insel im indischen Ozean. Es heisst «Volèr Lamour», Liebe stehlen, seit gestern auf Youtube zu hören, und auch wenn man es nicht versteht, es ist voller Melancholie, voller Gefühle, voller Leben. Es ist eine eigene Interpretation des Songs des französischen Sängers Alain Bashung, im Originaltitel heisst es «La nuit, je mens», nachts lüge ich, ein Text über die Frage, was man nur nachts erleben kann. Es singt: Guillaume Hoarau. Der Fussballer, der auch Musiker ist. Und der Musiker, der momentan wieder mal nicht Fussballer sein darf, weil er verletzt ist. Und 36-jährig, und sehr oft verletzt in den letzten Jahren und ab Ende August bei den Berner Young Boys vertragslos. «Volèr Lamour» (Youtube) Mit Tränen in den Augen hat er vor kurzem den Kunstrasen im Wankdorf verlassen, weil wieder ein Muskel riss, weil er nicht

Schlafen im Schliessfach

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Ein Hotel nur mit Kapseln in Tokio. Damals in Tokio, im Sommer 2002 war es, die Fussball-Weltmeisterschaft, die gleichzeitig in Japan und Südkorea stattfand. Wir, der Asien-Korrespondent des «Tages-Anzeigers» und ich, hatten uns seit Tagen auf diese Nacht vorbereitet, im Kopf wenigstens, und ausgemalt wie es sein wird: Schlafen in einem Schliessfach. 2 Meter lang, 80 Zentimeter hoch, 80 Zentimeter breit. Ein Kapselhotel, ich hatte vorher nie davon gehört. In Japan gab es damals und gibt es heute noch viele solche, in den 70er-Jahren war das erste in Osaka gebaut worden. Unseres war im Tokioter Stadtteil Shibuya, und wir gingen zuerst in ein Pub, von denen es in diesem Bezirk sehr viele hat, wir waren einige Zeit dort, am TV wurde der Halbfinal Südkorea gegen Deutschland übertragen. Es war eine tolle und sehr ausgelassene Stimmung, die Japaner schrien für Korea, das war in der Geschichte nicht immer so, ich aber hatte nur die Zahlen im Kopf, 200x80x80. Blau vielleicht auch, weil diese K

Felice, der Glückliche

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Ein Buch über einen 90-Jährigen und den Alltag in einem Tessiner Bergdorf. Beim Lesen des Buches kommen Bilder in den Kopf, wie es war, erst kürzlich, als viele dachten, es werde nie mehr so sein, wie es zuvor war. Diese Stille, diese Leere, diese Ruhe, auf Strassen und Plätzen, auch mitten in Zürich, wir fuhren Velo, wir spazierten oder joggten, wir entdeckten Orte  ganz in unserer Nähe, die  wir vorher nicht sahen, weil wir blind dafür waren. Vom einen Tag zum anderen hetzten wir nicht mehr, wurde unsere Welt kleiner.  Es tat gut, fühlten wir. Wir waren entspannt. Der Alltag war ein anderer. Wir beobachteten intensiver. Die Welt ist auch eine andere, in diesem Buch des Tessiners Fabio Andina, «Tage mit Felice». Es ist sein zweiter Roman, der erste mit deutscher Übersetzung, der Originaltitel heisst «La pozza del Felice», zu übersetzen mit der Tümpel des Felice. Auch der «Spiegel» hat kürzlich auf zwei Seiten über das Buch geschrieben, hinreissend sei es, ein grosses Vergnügen. Ausri

648 ist keine Zahl

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Ein Leben mit zwei Handschuhen: Gianluigi Buffon. Was ist eine Zahl? Und was ist ein ganzes Leben? Und was für eine Zahl braucht es, damit sie ein ganzes Leben ist? Ist man, beispielsweise 60, aber man fühlt sich noch wie, sagen wir, 40 oder zumindest 50, fehlt dann halt doch etwas zu einem ganzen Leben? Am anderen Tag fühlt man sich dann aber doch eher wie 70, weil die Knochen und Gelenke schmerzen und der Geist müder ist – blickt man dann schon auf das Leben zurück? 648 ist keine Zahl. Das sagt zumindest einer, der ein Leben lang zwei Handschuhe trug. Und immer zwischen zwei Pfosten stand. Und der immer noch seine zwei Handschuhe anzieht, in einem Alter, in dem fast alle, die ein halbes oder ganzes Leben zwischen zwei Pfosten gestanden sind, ihre Handschuhe schon längst weggelegt haben. «Gigi Nazionale»: 648 Mal für Parma und Juventus . Und eben dieser sagt: «648 ist keine Zahl, sondern ein ganzes Leben.» Gianluigi Buffon ist es, der dies auf seinem Twitterkanal geschrieben hat, sie

Hallelujah hoch oben über Zürich

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«Tribute to Leonard Cohen», ein Konzert im Park: Juli 2020, Rigiblick Zürich. So romantisch muss es gewesen sein, in heissen Sommernächten auf der griechischen Insel Hydra am ägäischen Meer, im flimmernden Licht der Abendsonne. Leonard Cohen, es war in den 60er-Jahren, schrieb Gedichte und Romane, und er lernte vor allem die Norwegerin Marianne Ihlen kennen, seine erste grosse von vielen Lieben. Es war auch ein romantischer Abend, an diesem Mittwoch hoch oben über Zürich, es war schwül und der Himmel noch blau, aber über dem Uetliberg zogen dunkle Wolken auf, es war diese faszinierende Stimmung vor einem Gewitter. Und wir hörten Leonard Cohen. Unter freiem Himmel, im Park neben dem Theater Rigiblick, Lieder von Cohen, gesungen von Verschiedenen, eine wunderbare Hommage an den 2016 verstorbenen kanadischen Poeten. Ein Konzert in Zeiten, in denen keine Konzerte möglich sind und Fussball vor Geistern gespielt werden muss, Daniel Rohr, der «Daniel Düsentrieb der Kulturbranche» (NZZ) es abe