Posts

Es werden Posts vom September, 2020 angezeigt.

Frau ohne Maske

Bild
Es war im Elfer, das Tram hatte am Zürcher Rennweg gehalten, draussen regnete es in Strömen, ein Wetter wie im November, dabei war es wenige Tage zuvor noch Sommer gewesen. Eine alte Frau war eingestiegen, sie war verzweifelt, in der einen Hand den Schirm, es hatte ihn fast weggewindet, in der anderen ihre Handtasche, aufgeregt und nervös zitternd hatte sie darin gewühlt, sie suchte etwas, und wir drinnen im Tram ahnten was. Sie fand es nicht, sie blieb auf dem Trittbrett einen Moment stehen, zögerte und trat dann doch ins Tram, ausser Atem, sie war wohl über 80 Jahre alt, festhalten konnte sie sich nicht, der Schirm, die Tasche, und die Verzweiflung im Gesicht. Die Frau hatte keine Maske. Irgendwo in der Handtasche musste sie doch sein, sie hatte sie am Morgen zu Hause sicher reingelegt, vielleicht auch nicht, vielleicht vergessen. Jetzt stand sie da, schaute um sich, man sah ihr an, wie unangenehm es ihr war. Auf einem Sitz im Tram sass ein junger Mann, mehr Kind noch, 14 vielleicht,

Die beiden Messieurs

Bild
Büne Huber und Guillaume Hoarau, zwei, die sich mögen. Bern, 1. September 2020. Sie schrieben sich seit langem, immer wieder per SMS. In einem, vor einigen Wochen, stand: «They kicked me out. I am too old.» YB wollte Guillaume Hoarau nicht mehr, es hatte ihn sehr getroffen. Aber er wusste bald, die Liebe zu Gelb-Schwarz ist stärker als der Schmerz, er wollte sich von seinen vielen Freunden in Bern verabschieden, auf eine besondere Weise, und er wusste wie: Mit einem Song, mit «Scharlachrot» von Patent Ochsner mit Büne Huber, es ist ja so etwas wie das YB-Lied. Er schrieb Huber ein SMS und fragte, ob er bereit wäre. Und so trafen sich die beiden, die sich immer wieder schrieben, erst kürzlich erstmals persönlich, in einem Studio in Bern. Sie wollten sich bei der Begrüssung die Corona-Faust geben, aber Guillaume Hoarau nahm Büne Huber einfach in den Arm und sagte: «endlich». Hoarau nannte Huber in den Botschaften immer «Monsieur», Huber bat, er solle es nicht, sonst fühle er sich alt. «A

Mit und ohne Maske

Bild
Konzertbühne für Patent Ochsner: Blausee, 11. September 2020. Es war die Lust, nach so langer Zeit, auf Musik, auf Stimmen, auf Bilder, endlich wieder einmal, es hat so gefehlt, und viele Wochen lang war nichts mehr möglich, abgesagt, verschoben, erst um Monate, bald um ein Jahr oder gar mehr, vielleicht. Und deshalb tat es so gut, auch wenn es fast etwas zu viel war, so kurz hintereinander. Erst Bruce Springsteen, der, hörte man, dieses Jahr mit seiner E-Street-Band auf Tournee hätte gehen wollen, jetzt wenigstens als Tribute im Rigiblick hoch oben über Zürich; dann am gleichen Ort Erinnerungen an John Lennon, auch draussen im Park, nicht im Theater; Arno Camenisch las im Landesmuseum aus seinen «Goldenen Jahren»; Pippo Pollina sang im Casinotheater in Winterthur für einmal nicht seine eigenen Lieder, sondern jene, die er am liebsten mag; Manuel Stahlberger und seine manchmal komischen, manchmal hintergründigen und manchmal verspielten Lieder und Texte im Zürcher Hechtplatz; die Bilde

Bilder der Einsamkeit

Bild
Bilder von Edward Hopper – und ein Film von Wim Wenders: Fondation Beyeler, Riehen Diese Leere. Dieser Blick irgendwohin. Diese Stille. Dieses Licht. Mal hell, mal dunkel oder gar düster, am Abend, am Morgen. Diese Einsamkeit. Landschaften. Kaum Menschen. Häuser. Das Meer, immer wieder das Wasser, die unendliche Weite. Hügel. Felsen. Bäume. Segelschiffe. Leuchttürme. Tankstellen. Nur ein Zimmer mit einer leeren Wand, ein Treppenhaus und der Blick hinaus auf einen finstergrünen Hügel. Eine Frau mit Sonnenhut, zeichnend im Sand sitzend. Die Bilder zeigen eine Wirklichkeit, die Geschichte in diesem Augenblick, und man kann träumen dazu und fragt sich: Was geschieht als nächstes, wohin geht der Blick der Frau, die am Balkonfenster oder in der Haustür steht und irgendwohin schaut, hält eigentlich je jemand an dieser Tankstelle mitten in einem Wald, bei der ein älterer Mann mit Krawatte an einer Zapfsäule steht, ziemlich verloren? Die wenigen Menschen auf den Bildern wirken eher bedrückt, ma