Posts

Philosoph auf dem Fahrrad

Bild
Blog-Nr. 329 Er ist der, der von sich sagt, er habe das Bedürfnis nach Anerkennung und er sei eitel. Er ist der, den die «New York Times» als «Philosophen vom Schwarzwald» und als «soziales Gewissen des deutschen Fussballs» beschrieben hat. Er sagte darüber, das seien alles viel zu grosse Begriffe, denen er nicht gerecht werden könne. Er hat sein Studium mit 28 Jahren begonnen, Germanistik und Geschichte, weil er die deutsche Katastrophe verstehen wollte, das Thema Nationalsozialismus habe ihn aufgewühlt, seit er zehn oder elf war. Er sagte, der Fussball sei längst entromantisiert. Aber das Spiel habe sich überlebt, es sei zu gross, so archaisch, so einfach, so vielfältig, so unmittelbar. Fussball sei eines der schönsten Dinge, die er im Leben machen durfte. «Dieses Gefühl mit dem Ball, er gehorcht dir, dieses runde Ding. Du kannst mit dem Ball tanzen, weil du das so oft geübt hast. Dieses Gefühl ist schön» Er sagte, in welchem Beruf, ausser bei dem des Trainers, werde man bei seiner A

Frieden

Bild
Blog-Nr. 328 Es ist seit Wochen noch viel länger jeden Morgen wieder das Gleiche Ich lese, dass Raketen fehlen diese und jene nur komische Namen Aber sie seien dringend nötig  um zu siegen nicht zu verlieren Es brauche sie dringend und jetzt und ich denke täglich mehr Es ist doch nur Wahnsinn ein Verbrechen einfach schrecklich Und es wäre besser täglich zu schreiben dass wir nur eines brauchen Frieden statt mit den Menschen zu spielen. 10.5.2024/fw Fredy Wettsteins Blog «Wieder im Auge»   kostenlos abonnieren , oder  auf Facebook folgen  und lesen.

Konzentriert

Bild
Blog-Nr. 327 Drei in einem Stadion, im Letzigrund in Zürich, bei einem Spiel, kürzlich FCZ gegen YB. Drei Menschen auf dem Bild. Alle drei konzentriert, wegen dem Spiel, aber aus verschiedenen Gründen. Der Torhüter, hier Yanick Brecher. Wo ist der Ball? Was passiert als nächstes? Stehen meine Verteidiger richtig? Der Torhüter wird bald wieder zum Tiger. Lauert auf den Ball, der näher bei ihm ist, geht rückwärts, seitwärts, wieder vorwärts, breitet seine Arme aus, schreit, zeigt mit den Armen, wo sie stehen sollen, seine Verteidiger. Er tigert umher. Noch konzentrierter. Der Fotograf, unbekannt. Auch er, wo ist der Ball, was passiert als nächstes? Ist mein Objektiv richtig eingestellt? Scharf, was scharf sein soll. Der Fotograf wartet. Bleibt meistens am gleichen Ort stehen. Bewegt nur sein Stativ in eine andere Position. Wartet auf den Augenblick. Für das Bild. Sein Bild. Die Frau, unbekannt. Passiert etwas, das nicht passieren darf? Könnte eine Gefahr drohen? Sind die Leute zwar laut,

Un-halt-bar

Bild
Blog-Nr. 326 Aus aktuellem Anlass, eigentlich nicht geplant... Er war unhaltbar. Dieser Ball. Un-halt-bar! Und wenn ein trauriger Thomas Tuchel, sein Trainer, nachher über Manuel Neuer, seinen sehr traurigen Torhüter, sagte, bei 10 000 Paraden würde dieser diesen Ball 10 000 Mal halten, stimmt das nicht. Neuer, der sehr Traurige, war an diesem grossartigen Abend bei diesem in der zweiten Halbzeit unvergesslichen Spiel mit 10 000 Geschichten besser als jeder andere Torhüter der Welt. Mit fast weltbesten 10 000 Paraden. Denn dieser Ball in der 88. Minute war unhaltbar. Un-halt-bar. Von einem Ball, der ihm zwischen den Handschuhen durchgeflutscht war wie ein frisch geduschter Aal, schrieb die «Süddeutsche» - eine Frechheit. Von einem minimalen Maulwurf auf dem Rasen sprach Neuer nachher, und ein Maulwurf (Talpidae) ist nicht nur eine Säugetierart, sondern auch ein Agent, der für einen Auftraggeber arbeitet, versteckt und blind, niemand sieht und ahnt ihn, er ist getarnt. Und ich denke, Ca

Odeon

Bild
Blog, Nr. 324 Das ist eine neue Serie, sie soll auf diesem Blog unregelmässig fortgesetzt werden. Über Orte, wo ich mich grad aufhalte, den Laptop oder das Handy bei mir habe. Und aufschreibe, was mir spontan einfällt, mit Gedanken in wenigen Worten - zu Orten. Heute (1):  Odeon Wer war doch alles nicht schon hier Lenin, Frisch, Dürrenmatt, viele Oben im Cabaret wurde getanzt und unten getrunken, gefeiert und genossen Und es war der Ort an dem vieles begann Liebe fürs Leben oder Liebe für eine Nacht Und es wurde geredet und auch geschwiegen und es war laut und nur nachmittags kurz still Einst war es verrucht heute sehr stilvoll trotzdem denkt man die Zeit blieb stehen Und man möchte das alles für immer so ist die Liebe fürs Leben oder für eine Nacht Oder zumindest die Liebe zu diesem Ort an der Bar, am Tisch einfach hier, im Odeon. 26.4.2024/fw   Die vertonte Version , erzeugt durch KI (Programm Suno)   Fredy Wettsteins Blog «Wieder im Auge»   kostenlos abonnieren , oder  auf Facebook

Die Rache

Bild
Blog-Nr. 325 Der Stachel sass tief. Nicht sogleich. Aber davon erst später. Er machte sich erst mit Verzögerung bemerkbar, am anderen Morgen. Der ältere Italiener deutet mit sehr ernster Miene zum Vorderrad meines weissen Fiat 500, der, dachte ich, brav und vor allem korrekt im Parkfeld neben einer Bar in Castellina di Chianti in der romantischen Toskana stand. Es ist doch etwa nicht ein Kontrolleur wie im Zürcher Seefeld, der mit Sperberblick darauf achtet, ob vielleicht ein Rad verbotenerweise einige Zentimeter neben der Linie steht? Der Italiener in Castellina zeigt nochmals mit dem Finger zum Boden. Ich steige aus. Hm, er lächelt jetzt. Ich weniger. Denn: Der linke Vorderreifen ist platt, richtig platt. Platt. Nur platt. Und jetzt wieder im Kopf. Die Nacht zuvor, die Heimfahrt vom Dorf zur Unterkunft, es war dunkel, sehr dunkel, die schmale Strasse führte durch den Wald – und plötzlich, ein Knall, sehr laut, er blieb im Ohr, noch lange – er muss von links aus dem Gebüsch gekommen s

Ancelottis Rückkehr

Bild
Blog-Nr. 323 Zwei Trainer, so verschieden, ein Deutscher, ein Italiener, am Dienstagabend in Allianz Arena in München, Bayern gegen Real Madrid. Der eine, Thomas Tuchel, der Asket, wird vielleicht wie zuletzt manchmal mürrisch und irgendwie teilnahmslos auf der Bank sitzen, als ginge ihn das Ganze gar nichts mehr an, weil er sich innerlich von diesem Klub bereits verabschiedet hat, oder er wird nochmals, wie früher, wild gestikulierend wie ein nervöses Pferd mit seiner Baseballcap an der Seitenlinie tigern, mit Händen fuchteln und schreien. Sein Körper sagt, das Leben ist hart Der andere, Carlo Ancelotti, der Genussmensch, wird meist ziemlich gelassen dem Treiben auf dem Rasen zusehen, im edlen Anzug, zwischendurch die Hände in seinen Taschen vergraben, seine Kaugummis bearbeiten, weil er eigentlich lieber rauchen würde, seine Backen aufblasen und, als auffallende Gefühlsregung, seine linke Augenbraue hochziehen. Sein Körper sagt, das Leben ist schön. Es verbindet sie aber eines: Tuch

Torjäger

Bild
Blog-Nr. 322 Ein Tor als Gesamtkunstwerk. So hören wir die Reporter manchmal schreien und das «Goooooooooooool» hat dann, je nach Sprache, sehr viele Buchstaben, oder wir lesen es, und ich habe es auch schon geschrieben, damals in einem Stadion, wo wir entzückt waren und Tore zur Poesie wurden, zu einem Gemälde, einem Gedicht. Und wir behalten diese besonderen Tore im Kopf, schauen sie immer wieder an, es können Tore sein, über die alle reden, die Fussball lieben, und die Geschichte geschrieben haben, aber auch solche, die nur wenige Augen sahen, auf einer Schulwiese oder irgendeinem Rasen in einem Dorf, ohne Publikum, nur der Schütze hat sie als Erinnerung. Nirgends dokumentierte Tore. Aber jedes Tor hat eine Geschichte. Immer wieder ist es auch eine Zufallsgeschichte. Und manchmal hören wir von einem Tor aus früheren Zeiten, und wir wollen es uns im Kopf vorstellen und haben doch Mühe. So ging es Javier Cáceres, einem brillanten Journalisten der «Süddeutschen Zeitung», der fast sch